Heute vor 90 Jahren, am 2. November 1933 endete die zweite sogenannte Dreiecksfahrt des Luftschiffs LZ 127 Graf Zeppelin, zu der die Besatzung am 14. Oktober 1933 aufbrach. Die Bezeichnung dieser Fahrt geht auf die Route bzw. die Landeorte der damaligen Fahrt zurück, die drei (Teil-)Kontinente miteinander verband: Südamerika, Nordamerika und Europa. Das Dreieck, dass sich aus der Verbindung der Kontinente auf einer Landkarte ergibt, diente als Sonderpoststempel für die Fahrt.

Anlass für den Abstecher in die USA war die Einladung zur Weltausstellung, die damals in Chicago stattfand und unter dem Motto „A Century of Progress“ stand. Das weltbekannte Luftschiff LZ 127 Graf Zeppelin galt zu diesem Zeitpunkt als Gipfelleistung moderner Technik, das die Ausstellungsleitung dem Publikum gerne vorführen wollte. Eckener sagte zu.
Die Route führte von Friedrichshafen nach Brasilien mit Landungen in Recife und Rio de Janeiro, von dort aus nach Nordamerika und wieder zurück nach Friedrichshafen. Höhepunkt der Reise sollte der Zwischenstopp auf der Weltausstellung in Chicago sein.
Die Landung auf der Weltausstellung wurde zum Politikum. Aber nicht nur dort, sondern während der gesamten Fahrt sollte der Zeppelin auf sehr unterschiedliche Reaktionen des Publikums treffen. Der Grund: Das Luftschiff hatte auf der Backbordseite an den beiden Seitenleitwerken Hakenkreuzflaggen als neue Hoheitszeichen Deutschlands aufgemalt bekommen, während auf der Steuerbordseite die schwarz-weiß-roten Farben des Kaiserreichs zu sehen war. Somit wurde das Luftschiff zum Sinnbild für die Spaltung der Deutschen im In- und Ausland, die Befürworter*innen und Gegner*innen des im Januar 1933 an die Macht gekommenen nationalsozialistischen Regimes.


Gestartet wurde am Samstag, den 14. Oktober 1933 um 21 Uhr. Das Kommando hatten Hugo Eckener und Ernst A. Lehmann. An Bord waren 18 zahlende und sechs geladene Gäste. Darunter war auch Joachim Breithaupt, Kapitänleutnant a. D., ehemaliger Luftschiffkommandant der Marine im Ersten Weltkrieg und Befürworter des nationalsozialistischem Regimes. Er war in Hermann Görings Reichsluftfahrtministerium für Luftschifffahrt zuständig. Breithaupt schrieb im Anschluss an die Dreiecksfahrt einen Bericht mit dem Titel „Das ist Luftschiffahrt!“.
Bereits einen Tag nach dem Start fuhr das Luftschiff entlang der afrikanischen Küste und am Montag, den 16. Oktober 1933, passierte es die Kap Verden.
Am Dienstag, den 17. Oktober 1933 war bereits die brasilianische Küste in Sicht, doch die Zeppeliner mussten vor der Landung zuerst noch eine Regenfront umfahren. Die Landung in Pernambuco erfolgte schließlich um 9.40 Uhr.

Breithaupt schrieb nach der Landung in seinem Bericht über die politischen Veränderungen, die auch außerhalb Deutschlands seit der Machtübernahme der Nazis ihre Spuren hinterlassen hatten. Er schildert, dass einige der Passagier*innen von einem deutsch-brasilianischen Nationalsozialisten in ein „Münchner“ Bierlokal eingeladen wurden. Breithaupt weiter: „Wir erzählten von Hitler und seiner großen Aufbauarbeit, von dem neuen Deutschland, das in einheitlich geschlossener Front hinter seinem geliebten Volkskanzler steht.“ Danach erwähnte er, dass die kleine Gruppe nationalsozialistischer Zuhörer*innen hauptsächlich aus jüngeren kaufmännischen Angestellten bestand, die sich bereits zu diesem Zeitpunkt zu einer Auslandsortsgruppe zusammengeschlossen hatten. Sie berichteten Breithaupt, dass sie „nun ernsthafte Anstrengungen machen“, sich gegenüber dem deutschen Klub vor Ort durchzusetzen. Die deutsch-brasilianischen Nationalsozialist*innen waren positiv überrascht, dass das Luftschiff mit Hakenkreuzen Propaganda für ihre Sache machte.

Der Bordelektriker Georg Holl hatte in Pernambuco ab 20 Uhr Ankermastdienst, wie er später in sein Tagebuch schrieb. Da er und seine Kollegen sehr müde waren, legten sie sich auf den Boden. Um Mitternacht war Ablösung. Holl legte sich schnell schlafen, bevor morgens um 5.00 Uhr allgemeines Wecken und Klarmachen zur Weiterfahrt angesagt war.
Am 18. Oktober um 5.45 Uhr morgens ging die Fahrt weiter. Einen Tag und fünf Minuten später erfolgte eine kurze Landung in Rio de Janeiro.

Breithaupt schildert in seinem Bericht, dass zur Begrüßung in Rio de Janeiro Kirchenglocken läuteten und Flugzeuge dem Zeppelin ein Ehrengeleit gaben. Das Luftschiff kreiste vor der Landung mehrmals über der Stadt. Da heftige Böen eine längere Liegezeit des Luftschiffs verhinderten, wurden nur Zeitungen und Post ein- und ausgeladen, Passagiere gewechselt und Formalitäten mit Regierungsvertretern und vom Syndikat Condor ausgetauscht.
Schon eine halbe Stunde nach der Landung ging die Fahrt weiter zum neuen Landeplatz Santa Cruz, wo zu dieser Zeitpunkt eine neue Luftschiffhalle gebaut wurde.
In Rio stieg die amerikanische Familie Momsen an Bord: Mutter Dorothea, ihr Mann Richard und die Kinder Alicia, Dick und der zehn Monate alte Billy. Letzterer wurde schon bald nur noch „das Zeppelin-Baby“ genannt, da er das erste Baby an Bord der LZ 127 Graf Zeppelin war.
Dorothea Momsen schrieb kurze Artikel für die New York Times über die Reise. Ihr Mann Richard arbeitete als Jurist bei der brasilianischen Niederlassung der Goodyear-Zeppelin Corporation. Er wollte mit seiner Familie die Weltausstellung in Chicago besuchen.
Während Eckener zufolge das Baby die ganze Fahrt hindurch ruhig schlief, versah Bordelektriker Georg Holl seinen Dienst an Bord. Nach einer Runde durchs Schiff, bei der er vom Heck bis zum Bug die elektrischen Einrichtungen inspiziert hatte, ging er in den Besatzungsaufenthaltsraum, der sich in der Bugspitze befand und lauschte Kapitän Lehmann, der gerade „Heute Nacht oder nie…“ auf seinem Akkordeon spielte.
Während der Fahrt von Rio nach Recife durften die beiden älteren Momsen Kinder zu Hugo Eckener in die Führergondel. Dick durfte das Steuerrad bedienen und das Luftschiff eine Weile steuern. Als Alicia das auch tun wollte, sagte Eckener, dass Mädchen nicht steuern dürfen. Alicia war sehr enttäuscht.
In Recife wurde am Freitag, den 20. Oktober um 5.45 Uhr gelandet. Holl musste die Elektrozentrale klarmachen, d. h. Motoröl wechseln, Scheinwerfer putzen und bei der Servo-Steuerung Schaltkontakte auswechseln.

Der Tag wurde in Recife verbracht. Um 21.30 Uhr ging die Fahrt weiter nach Miami in Florida. Breithaupt berichtet später, dass vor dem Start des Luftschiffes die gesamte NSDAP-Ortsgruppe von Recife mit einer Hakenkreuzfahne zum Abschiedsgeleit erschien. Der lokale Vorsitzende hielt eine politische Ansprache, die von Eckener kurz „erwidert“ worden sei. Währenddessen wurde das Deutschlandlied gespielt.
Am Samstag ging die Fahrt an der Küste entlang. Holl beschreibt:
Unvergessliche Eindrücke ziehen an uns vorbei. Urwald und nochmals Urwald, dazu ein riesiges Vogelparadies. Wunderbare, schöne Vögel flattern in die Höhe, und fliegen, von unserem Motorengeräusch aufgeschreckt, wild durcheinander. In niedriger Höhe fahrend erkenne ich Kolibris, Kanarienvögel und Papageien. Im Urwald selbst nur Sumpf und Wasser.
Dort herrschten 30° Celsius und Holl lag während seiner Pause mit Badehose bekleidet in seiner Hängematte. Ab 12.45 Uhr hatte Holl wieder Wache. Er schrieb weiter: „Nähern uns Amazonasmündung bzw. Delta. Riesige Wassermengen ergießen sich ins Meer. Fahren bereits 1 Stunde – noch haben wir das andere Ufer nicht erreicht.“



In Holls Tagebuch fällt auf, dass er die politischen Unstimmigkeiten mit keiner Silbe erwähnt. Eckener hingegen notierte später, dass die Deutschen in Brasilien zerstritten seien – doch davon später mehr.
Teil 2 der Beitragsserie erscheint am Sonntag, den 5. November 2023 um 10.00 Uhr.
QUELLEN Zeitungsberichte und Materialien zur Dreiecksfahrt aus dem Nachlass John Duggan im Archiv des Zeppelin Museums The Momsens: The Zeppelin Children-From Rio to Arkon by Airship (United States, 1933). In: https://histclo.com/bio/op/m/mo/bop-momsenz.html Joachim Breithaupt: Das ist Luftschiffahrt! Reisebericht über die Dreiecksfahrt aus dem Jahr 1933 Hugo Eckener: Im Zeppelin über Länder und Meere, Flensburg 1949 Cheryl Ganz: The Graf Zeppelin and the Swastika: Conflicting Symbols at the 1933 Chicago World’s Fair in: 1998 National Aerospace Conference Georg Holl: Tagebuch der Dreiecksfahrt im Herbst 1933, Kopie im Archiv des Zeppelin Museums.
Ich habe den Bericht mit Interesse verfolgt. Mir war nicht bekannt, dass Joachim Breithaupt Nazi-Anhänger war. Das muss für Hugo Eckener schon eine schwierige Zeit gewesen sein, dass er mit einem Nazi-Emblem Werbung auf seinen Fahrten machen musste.
Ich bin auf den 2. Bericht schon sehr gespannt und hoffe, ihn zu lesen zu bekommen.