Nach dem Ersten Weltkrieg durften in Deutschland aufgrund des Versailler Vertrages keine Luftschiffe mehr gebaut werden. Wohin also mit dem Zeppelin-Know-how eines Vierteljahrhunderts?
Harry Vissering, der Repräsentant der Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Amerika, versuchte, die Regierung der Vereinigten Staaten für Zeppeline zu gewinnen. Doch Vissering scheiterte, weshalb er sich in der freien Wirtschaft umsah. In Paul W. Litchfield, dem Vizepräsidenten der Goodyear Tire & Rubber Company in Akron/Ohio, die auch gummierte Ballonhüllen und Prallluftschiffe, sogenannte Blimps herstellte, fand Vissering einen Interessenten am kommerziellen Luftschiffverkehr.
Im Sommer 1923 reiste Litchfield mit Frau und Tochter sowie mit E. G. Wilmer, dem Präsidenten von Goodyear, nach Friedrichshafen, um sich weiter zu informieren und die verantwortlichen Leute kennen zu lernen. Keine/r von ihnen sprach Deutsch. Deshalb fungierte Ernst Lehmann, der exzellentes Englisch sprach, während der Verhandlungen als Übersetzer.
Am 19. September 1923 wurde eine Vereinbarung zwischen der deutschen Luftschiffbau Zeppelin GmbH und der amerikanischen Goodyear Tire & Rubber Company zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens geschlossen. Diese erfolgte dann im Jahr darauf unter dem Namen Goodyear-Zeppelin Corporation. Die Luftschiffbau Zeppelin GmbH war zu einem Drittel daran beteiligt, Goodyear zu zwei Dritteln. Bei der Gründung der Gesellschaft wurden alle Luftschiffpatente der Firma Zeppelin an das neu gegründete Gemeinschaftsunternehmen übertragen. Harry Vissering, dessen Leben kaum dokumentiert ist, wurde einer der Direktoren des neuen Joint Ventures. Zunächst als Chefingenieur und später als Vizepräsident wurde Dr. Karl Arnstein eingesetzt, der 1924 mit zwölf Technikern und Ingenieuren von Friedrichshafen zu Goodyear nach Akron/Ohio wechselte. Ihre Familien folgten im Jahr 1925.

Noch im Jahr 1924 wurde LZ 126 als Reparationsleistung von Hugo Eckener in die Vereinigten Staaten überführt und dort auf den Namen Los Angeles getauft. Zu diesem Zeitpunkt war es das größte Luftfahrzeug der Welt.
Im Oktober 1924 brachten Eckener und seine Besatzung den Zeppelin ohne Zwischenlandung in die USA und erreichten nach einer 81-stündigen Fahrt sicher den Luftschiffhafen Lakehurst. Diese Leistung war ein starkes Argument für die Etablierung eines Weltluftschiffverkehrs, wie er Eckener vorschwebte.
Dennoch dachten die meisten, das sei nun das Ende der Zeppelin-Luftschifffahrt in Deutschland, da der Bau weiterer Luftschiffe nach wie vor untersagt war. Deshalb war es nur verständlich, dass einige der Ingenieure mit Arnstein nach Amerika gingen und das Wissen in Sachen Luftschiffbau mitnahmen.
Die geglückte Überfahrt des LZ 126 gilt auch als offizieller Start der Goodyear-Zeppelin Corporation. Luftschiffkapitän Ernst A. Lehmann schreibt in seinem Buch „Auf Luftpatrouille und Weltfahrt“: „Mit LZ 126 erfüllte sich unser Wunsch: den Amerikanern in Amerika zu zeigen, was ein Luftschiff deutscher Konstruktion unter sachgemäßer Führung leistet.“
Im Jahr 1926 durften in Deutschland wieder Luftschiffe gebaut werden und in Friedrichshafen begann die Arbeit an LZ 127 Graf Zeppelin.

1928 erhielt die Goodyear-Zeppelin Corporation von der US-Navy den Auftrag für den Bau zweier Großluftschiffe, der USS Akron (ZRS 4) und der USS Macon (ZRS 5). Beide waren Starrluftschiffe und sollten als fliegende Flugzeugträger eingesetzt werden. USS Akron hatte drei Unfälle, bevor das Luftschiff im Frühling 1933 an der Atlantikküste abstürzte. USS Macon hatte ein ähnliches Schicksal und stürzte im Winter 1935 in den Pazifik.
Drei Monate nach dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs, am 01. Dezember 1939 wurde die Goodyear-Zeppelin Corporation in Goodyear-Aircraft Corporation umbenannt.
1939 wurde die Los Angeles abgewrackt. Sie war das Luftschiff, das am längsten im Dienst der US-amerikanischen Marine stand.
Im Dezember 1940 wurden die Anteile des Zeppelin-Konzerns getilgt und die Patente an die Wingfoot-Corporation abgegeben.
Jahrzehnte später
1993 wurde die Zeppelin Luftschifftechnik GmbH & Co KG (ZLT) gegründet, mit dem Ziel, die Zeppelin-Luftfahrt wieder aufleben zu lassen und Zeppeline neuer Technologie, den sogenannten Zeppelin NT, zu bauen. Mehrere Zeppeline wurden gebaut und fliegen nun wieder am Himmel.

Im Mai 2011 erhielt die ZLT den bislang größten Auftrag ihrer Unternehmensgeschichte: Sie sollte für die Goodyear Tire & Rubber Company drei neue Zeppeline bauen. Die Teile wurden in Friedrichshafen gefertigt und im Goodyear-Hangar auf der Wingfoot Lake Luftschiffbasis in Akron/Ohio endmontiert. Die drei Zeppeline wurden auf die Namen Wingfoot One, Wingfoot Two und Wingfoot Three getauft. Außerdem wurde die Crew für den Flugbetrieb innerhalb von zwei Jahren von der Deutschen Zeppelin-Reederei in Friedrichshafen ausgebildet.
Damit schloss sich ein Kreis, denn mit dieser Kooperation, fortan „Full Circle“ genannt, knüpften ZLT und Goodyear wieder an die Goodyear-Zeppelin Corporation an.
QUELLEN: Siegfried Borzutzki: LZ 126 ZR III „U.S.S. Los Angeles“ – Das Reparationsluftschiff – Wegbereiter des Transatlantik-Luftverkehrs, Bergatreute, 1998 S. Victor Fleischer: The Goodyear Tire & Rubber Company, Akron 2003 Festschrift Dr. Karl Arnstein, Akron/Ohio 1957 Ernst A. Lehmann: Auf Luftpatrouille und Weltfahrt, Leipzig 1936 Sabine Ochaba: Schöner Schweben, Beitrag auf dem Blog des Zeppelin Museums, September 2022 Dale Topping: When Giants Roamed the Sky, Akron/Ohio 2001 Wikipedia