Die ersten Flugpionierinnen und ihre „Kostüme“

Wie sah die Kleidung der bürgerlichen Frauen Ende des 19. Jahrhunderts aus? Sie war elegant, figurbetont (meist mittels Korsetts), vielschichtig und sehr abwechslungsreich. Den für jeden Anlass gab es eine andere „Toilette“. Sie waren schön anzuschauen – aber praktisch? Nein!

Doch schon zu dieser Zeit begann sich die Mode an eine veränderte Lebensweise anzupassen. Mehr Frauen wollten Sport treiben, der plötzlich zu einer gesunden Lebensweise dazu gehörte. Dazu brauchte man Bewegungsfreiheit – schwierig in den bestehenden meist zweiteiligen Kostümen und mit einem Korsett, dass nur eine eingeschränkte Bewegungsfreiheit zuließ.

So kamen Sportkostüme auf, ob für Radfahren, Tennis oder Wandern. Diese hatten fußfreie Röcke, Vorrichtungen, diese Röcke zu lupfen oder waren geteilt, bestehend aus einem Überrock mit einem weiten Hosenrock darunter. Darunter wurden „Leibchen“ getragen, die weniger einengend waren. Für diejenigen, die keinen Sport trieben, aber trotzdem bequemere und gesündere Kleidung bevorzugten, wurde die Reformmode entwickelt, die lose am Körper herabfiel und darunter auch kein Korsett benötigte.

Die ersten Frauen lernen fliegen

Die Luftfahrt entwickelte sich weiter, Ballone schwebten über die Alpen, die ersten Luftschiffe wurden gebaut, ob Zeppeline oder Parseval und die ersten Flugzeuge konstruiert. Die Luft als neue Dimension für Sport und Verkehr faszinierte Männer und Frauen gleichermaßen. Einige der Frauen so sehr, dass sie selbst begannen, in Ballons aus der Vogelperspektive die Landschaft zu betrachten und auch in Flugzeuge zu steigen. Nicht nur als Passagiere, sondern auch als Ballonführerinnen und Pilotinnen. Natürlich waren diese Frauen Exoten, aber sie setzten sich durch. Gab es immer Widerstand seitens der Männer?

Schaut man zeitgenössische Quellen an, gibt es dazu verschiedene Meinungen. Der Luftschiffer-Verband der Ballonfahrer zählte 1908 427 weibliche Mitglieder, darunter fünf geprüfte Führerinnen. Die erste Frau, welche diese Prüfung 1907 (oder 1908) erfolgreich ablegte, war die Berlinerin Emmy la Quiante.

Emmy La Quiante (Bild Zeitschrift „Kränzchen“, 20. Jg. 1907/08)

In dem von ihr geschriebenen Beitrag im Buch „Wir Luftschiffer“ (1909) mit dem Titel „Damen im Korb“ schreibt sie zu Luftschifferinnen in Frankreich (es gab wohl ca. 100):

„Die Gattin des Ballonfabrikanten Surcouf, die einzige Französin, die jüngst das Führerpatent des französischen Aeroclubs erwarb, hat jetzt in Paris einen Luftschifferinnenklub gegründet. Die Ursachen, welche die Dame zur Gründung des Klubs veranlasst haben, sind nicht bekannt. Für uns deutsche Damen liegt kein Grund vor, dem französischen Beispiele zu folgen und uns von unseren Vereinen zu trennen, so lange man uns wie bisher als Mitglieder mit gleichen Rechten und Pflichten betrachtet.“ (Wir Luftschiffer, S. 144)

Im weiteren Artikel betont sie noch mehrfach, dass für Männer und Frauen gleiche Rechte und Pflichten gelten sollten – was bei den Prüfungen wohl der Fall war.

In der Fliegerei gab es dagegen einige Männer, die weibliche Kollegen verhindern wollten und gegen die ersten weibliche Flugschülerinnen, unter ihnen Melli Beese, intrigierten – wir kommen später noch darauf zurück.

Ballonfahrerinnen – praktische Kleidung oder „Phantasiekostüm?

In Emmy la Quiantes Buchbeitrag ist die Kleidung der Frauen ein Thema und zwar als „wesentliches Moment zur Hebung des Wohlbefindens einer Dame im Korbe und zur Verminderung eventueller Gefahr beim Landen“:

„Berücksichtigt man, daß Platzmangel und Gewichtsersparnis keinen Kleidungswechsel gestatten, so müssen an ein derartiges Kostüm sehr vielseitige Anforderungen gestellt werden. Die Haupteigenschaften, welche man von einem solchen verlangen muß, sind durch den Zweck, dem es dienen soll, gegeben.“ (Wir Luftschiffer, S. 148)

Ob bewusst oder unbewusst, argumentiert Emmy La Quiante hier mit bezwingender Logik: Wenn Frauen und Männer in diesem Sport gleiche Rechte und Pflichte haben, stellt sich die Frage gar nicht, dass sich Frauen nicht zweckmäßig kleiden dürfen.

Und so beschreibt sie das ideale Luftschifferinnen-Kostüm wie folgt:

„Es soll dauerhaft bequem, bei Kälte und Regen zu tragen, durch Sonne und Regen nicht leidend, nicht hinderlich, mit einem Worte ein Sportanzug sein; nicht ein kokettes Kostüm aus Seide und Tand, das seinen Zweck, die Trägerin zu verschönen, nur vor, nicht nach der Fahrt erfüllt, darf es sein.“ (S. 149)

Luftschifferinnen waren eine Erscheinung, die natürlich auch gerne von den damaligen Zeitschriften und Zeitungen aufgenommen wurden. Zum einen aus Sensationsgründen, denn es gab in allen Bereichen der Luftschifffahrt viele Unfälle – deshalb galt sie als gefährlich. Zum anderen auch aus emanzipatorischen Gründen, weil wahrscheinlich insbesondere Redakteurinnen gerne Meldungen unterbrachten, in denen sich Frauen in vormaligen Männerdomänen bewiesen.

Im Buchkapitel kann sich Emmy aber nicht den folgenden Seitenhieb verkneifen:

Entwurf eines Luftschiffkostüms (Sonntagszeitung für’s deutsche Haus 1909/10)

„Die Entwürfe zu Luftschifferinnenkostümen, die in den Tageszeitungen des letzten Jahres erschienen, dürften jedoch allen anderen als den oben angegebenen Zwecken entsprechen, und man ersieht leicht, daß sie nicht von einem praktischen Luftschiffer stammen können.“ (S.149)

Ob dieser überlieferte Entwurf, erschienen in einer Wochenzeitschrift von 1908, dazu gehörte?

Die Dame trägt immerhin Hosen, dazu einen bodenlangen Mantel mit pelzgefütterter Kapuze und gleichfalls pelzgefütterten Stiefel. Wärmend ist dieses Outfit bestimmt, aber praktisch? Eher nicht. Also gut möglich, dass es einer der eher „phantastischen“ Entwürfe war, wie Emmy sie in ihrem Artikel nennt.

Ihre Beschreibung, welchen Anforderungen die Kleidung für Luftschifferinnen genügen mussten, liest sich anders. Als Vorbild nennt sie die Kleidung der Segler, denn „dieser von den Seglern durch viele Generationen bei jedem Wetter erprobte Anzug entspricht allen oben gestellten Anforderungen“. (S.150)

Konkret beschreibt sie:

„Das aus dunkelblauem Tuch gefertigte Kostüm besteht für Damen aus nicht faltigem Beinkleid, Rock und Jackett, welch letzteres über leichter Bluse getragen wird.“

Was den Rock angeht so ist „es […] dringend nötig, daß die Luftschifferin bei der Landung den Rock abgelegt hat, um volle Bewegungsfreiheit zu haben, denn es ist vorgekommen, daß Damen dadurch in Gefahr gerieten, daß die mitfahrenden Herren in der Aufregung der Landung auf dem Rocksaum der Damen standen und ihr so jede Bewegungsfreiheit nahmen.“ (150)

Klingt wie eine eigene Erfahrung, die sie hier untergebracht hat! Zum Rock heißt es noch, er solle fußfrei sein, denn:

„…wird er bei der Landung angelegt, ist die Trägerin befähigt, die oft unumgänglich nötigen Wanderungen durch Wald und Sturzacker auch bei schlechtem Wetter zurückzulegen, ohne später z.B. in der Eisenbahn als besonders durch ihr Kostüm gekennzeichnet aufzufallen, wie dies bei den vorher erwähnten Entwürfen zu phantastischen Luftschifferinnenkostümen der Fall wäre.“ (S. 150)

Für mitfahrenden Damen gelten diese Kleidungshinweise übrigens nicht, hier sind sie „Sache der persönlichen Anschauung“. Für die Führerinnen sind sie jedoch aus Sicherheitsgründen unbedingt erforderlich – denn diese tragen am Ende auch die Verantwortung für die mitreisenden Passagiere.

Flugpionierinnen – gemeinsames Merkmal: Hose

Einige Jahre später haben Frauen selbstverständlich Hosen an – jedenfalls als Pilotinnen von Flugzeugen. In einem Artikel der Zeitschrift „Welt der Frau“ von 1912 geht es um Frauen in der Luftschifffahrt. Auf den Bildern der Pilotinnen ist ein gemeinsames Merkmal aller, dass sie Hosen tragen. Ob als Anzug bzw. Overall, wie im Fall von Harriett Quimby und Jane Herveur, als lederne Kniebundhosen wie Mrs. Gevle oder Hosenrock (Madame Frank).

Vorgestellt: Die ersten Pilotinnen

Werfen wir einen kurzen Blick auf einige der ersten Pilotinnen und ihre Karrieren.

Harriet Quimby
(Welt der Frau 1912)

Harriet Quimby (1875 – 1912) erwarb als erste Frau in den USA ihren Flugschein. Davor war die Farmerstochter eine erfolgreiche Foto- und Reisereporterin gewesen und auch von schnellen Automobilen begeistert – mit dem selbst erworbenem war sie gerne in der Welt unterwegs. Ihr gelangen Pionierleistungen wie der erste Nachtflug und 1912 die Überquerung des Ärmelkanals, die vorher (1909) nur der französische Pilot Blériot geschafft hatte.

Ihr Leben endete leider kurz darauf tragisch: Im Sommer des gleichen Jahres stürzte sie auf einer Flugschau in den USA ab.



Matilde Moisant (Quelle: Sammlung Bürgerleben)

Matilde Moisant (1878 – 1964) erwarb als zweite Frau einen Flugschein in den USA – die Flugstunden hatte sie zusammen mit Harriet Quimby bei ihrem Bruder, dem erfolgreichen Piloten John Bevins Moisant genommen, der jedoch in dieser Zeit durch den Absturz seiner Maschine tödlich verunglückte. Die Damen ließen sich dadurch jedoch nicht entmutigen und setzten den Unterricht fort.

Nach erfolgreicher Prüfung überflogen sie als erste Frauen zusammen Mexiko. Auch für sie wurde 1912 ein Schicksalsjahr. Als ihre Maschine bei einer Landung Feuer fing, hörte sie auf Wunsch ihrer Familie mit der Fliegerei auf.


Melli Beese (1886-1925), eigentlich Amelie, war die erste deutsche Frau, die erfolgreich ihren Flugschein absolvierte. Der Weg dahin war allerdings sehr steinig: Zuerst fand sie keinen Fluglehrer, der sie als Frau ausbilden wollte. Während ihrer praktischen Ausbildung wurde sie benachteiligt – so erhielt sie weniger Flugstunden. Zudem machten ihr männliche Flugschüler das Leben schwer. So wurde vor ihrer ersten Prüfung ihr Benzintank sabotiert, sodass der Tank Benzin verlor und sie deshalb beinahe abstürzte. Allen Widrigkeiten zum Trotz legte sie 1911 ihren Flugschein ab und trat danach bei Wettbewerben erfolgreich an. 1913 gründete sie mit ihrem Mann ihre eigene Flugschule, der 1. Weltkrieg machte ihr jedoch für die weitere Entwicklung einen Strich durch die Rechnung – insbesondere, da ihr Mann „feindlicher“ Franzose war.

Nach dem Krieg konnte sie weder wirtschaftlich noch privat wieder Fuß fassen und beging 1925 Selbstmord – neben sich einen Zettel mit dem Satz „Fliegen ist notwendig. Leben nicht“.

Bozena Lagler (Lagerova) (1888 – 1941) reüssierte zunächst als Sängerin von Operetten am Prager Theater, ihrem Geburtsort, bevor sie sich für die Fliegerei begeisterte. In der ersten deutschen Flugschule nahm sie Flugstunden bei Hans Grade, weitere in Wien. Sie bestand sowohl die österreichische als auch die deutsche Flugprüfung – diese als 2. Frau in Deutschland. Obwohl sie 1911 in der Nähe von Kladno einen schweren Absturz mit lebensgefährlichen Verletzungen hatte, flog sie noch einige Jahre bei Ausstellungen und Messen und tourte als Fliegerin durch die USA und die Karibik.

Fazit

Zusammenfassend kann man über diese Flugpionierinnen sagen, dass sie Vorreiterinnen waren. Als Sportlerinnen, die sich in gefährliches Terrain begaben, waren sie in den damaligen Medien – mit ihren Kostümen – sehr präsent und bereicherten (insbesondere die Fliegerinnen) mit ihren Auftritten als Attraktion Wettbewerbe, Messen und weitere Veranstaltungen. Frauen mischten in neuen gefährlichen Sportdomänen mit und konnten darin ihre Ebenbürtigkeit beweisen! Das gefiel natürlich nicht allen und stieß teilweise auf Widerstand.

Das neue Frauenbild demonstrierten die Luftschifferinnen auch mit ihrer Kleidung. Bei den praktischen Sport-Kostümen, wie sie damals genannt wurden, war die Zweckmäßigkeit das oberste Kriterium und lebenswichtig – nicht das schöne Aussehen.

In den Folgejahren sollte sich die Frauenkleidung dahin entwickeln, dass es für Frauen möglich und salonfähig wurde, insbesondere bei ihrer Arbeit praktische Kleidung zu tragen. Der 1. Weltkrieg tat sein Übriges dazu – plötzlich mussten viele Frauen vorherige Männerarbeiten übernehmen. Als temporäre Modeerscheinung kamen Hosenröcke übrigens schon 1911 auf. Sie sorgten für großes Aufsehen, konnten sich aber nicht durchsetzen.

Hosen setzten sich als fester Bestandteil der Frauenkleidung erst langsam ab den 1930er Jahren durch. Die Kleidung ist nicht zuletzt auch ein Gradmesser der Emanzipation der Frauen. Die vorgestellten Luftschifferinnen forderten sie zusammen mit anderen Sportlerinnen (z. B. Bergsteigerinnen) als Teil ihrer Gleichberechtigung in ihren Sportdisziplinen mit als erste ein.

Quellen und Literatur

"Wir Luftschiffer", Artikel "Damen im Korb", S. 144-154

Hrsg. Dr. Bröckelmann, Verlag von Ullstein & Co., 1909

"Die Frau und die Luftschifffahrt"; Artikel in "Die Welt der Frau", S. 379-382, 1912

Unsere Gastautor*in

Grete Ottos Passion ist die Zeit der Belle Epoque. Eine Zeit, in der viel passierte – ob nun in der Gesellschaft, Technik oder Wissenschaft. Eine Schlüsselposition hatte dabei das Bürgertum als treibende Kraft dieser Entwicklung. Auf ihrer Webseite www.buergerleben.com und in den sozialen Medien (www.facebook.com/buergerleben/www.instagram.com/buergerleben) stellt die Historikerin Themen der Zeit vor. Daneben betätigt sie sich als Autorin und hält Vorträge zu verschiedenen Themen.

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