Teil III: Vor 110 Jahren – Der Bodensee-Wasserflug in Konstanz vom 29. Juni – 5. Juli 1913

Das Rennen der Sportflugzeuge

Nach der Gründung der Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH im Juni 1912 verfolgte Theodor Kober die Idee, einen Wassereindecker für den Flugsport zu bauen. Zuerst entstanden die FF 2 und die FF 4 auf Initiative des Lehrers Ehrler aus Uhldingen, der selbst technische Ideen einbrachte. Ein besonderes Merkmal beider Konstruktionen waren die gefederten Schwimmer, deren Patent Kober von dem Schweizer René Grandjean erworben hatte. Beim Bodensee-Wasserflug 1913 schickte der Flugzugbau Friedrichshafen die FF 8 als neuste Entwicklung dieser Reihe in den Wettbewerb für Sportflugzeuge.

Maßgebend für die Zulassung zu dem Rennen war eine maximale Motorleistung von 75 PS. Im Unterschied zum großen Preis vom Bodensee waren die Sportflugzeuge keine Amphibien, sondern reine Wasserflugzeuge.

Die Strecke verlief von Konstanz zur Kontrollstelle nach Romanshorn, dann wieder über Konstanz durch den Untersee zu einer Zwischenwasserung vor Radolfzell und wieder zurück nach Konstanz. Das entspricht einer Flugstrecke von rund 100 Kilometern. Wie beim großen Preis konnten beliebig viele Versuche geflogen werden.

Mit dem ersten Preis in Höhe von 5.000 Mark wurde der schnellste Flug einschließlich der Zwischenlandung in Radolfzell belohnt, dazu kam ein Ehrenpreis des Kaiserlichen Automobil-Clubs. Für den zweiten Platz gab es immerhin noch 3.000 Mark.


Kohnert gegen Vollmoeller

Mangels anderer Konkurrenz war von vornherein klar, dass es auch im Rennen der Sportflugzeuge zu einem Duell zwischen Flugzeugbau Friedrichshafen und Albatros kommen würde. Die einzige andere Anmeldung, der Eindecker der Strack-Werke in Duisburg, bewies zwar, dass er auf dem Wasser starten und landen konnte, war aber ansonsten nicht wettbewerbsfähig.

Folglich machten Herbert Kohnert mit der FF 8 und Hans Vollmoeller mit dem Albatros-Eindecker das Rennen unter sich aus. Ihre Flugzeuge waren auf den ersten Blick ähnlich. Die FF 8 beschrieb die Fachpresse mit ihren langen, schmalen Flügeln und dem breiten Höhenleitwerk als „möwenähnlich“. Neben der eleganten Form und der soliden Konstruktion wurde besonders das gefederte Schwimmwerk hervorgehoben, das sowohl das Landen als auch das Gleiten auf dem Wasser erleichtern sollte. Die Spannweite der FF 8 betrug 13 Meter, ihre Länge 11 Meter und das Fluggewicht 620 Kilogramm. Mit dem 65-PS-Argus-Motor erreichte sie eine Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.

Kohnert in der FF 8 des Flugzeugbau Friedrichshafen.
Zeppelin Museum Friedrichshafen
Kohnert in der FF 8 des Flugzeugbau Friedrichshafen. Zeppelin Museum Friedrichshafen
Modell der FF 8 des Flugzeugbau Friedrichshafen aus der Sammlung des Zeppelin Museums. © Zeppelin Museum Friedrichshafen, Foto: Tretter, Modell Henry Wydler Luzern
Modell der FF 8 des Flugzeugbau Friedrichshafen aus der Sammlung des Zeppelin Museums.
© Zeppelin Museum Friedrichshafen, Foto: Tretter, Modell Henry Wydler Luzern


Der Albatros-Sporteindecker war eine schwächer motorisierte Variante des Albatros-Eindeckers für den großen Preis vom Bodensee und wie dieser eine Konstruktion Ernst Heinkels. Im Sporteindecker saßen der Pilot und ein Fluggast in einem Cockpit nebeneinander, während bei der von Hirth geflogenen Maschine zwei getrennte Cockpits hintereinander angeordnet waren. Mit der Spannweite von 12,1 Metern und der Länge von 8,9 Metern war das Albatros-Flugzeug kleiner als die FF 8, mit 720 Kilogramm Abfluggewicht schwerer, aber dank des 75-PS-Mercedes-Motors mit 115 km/h schneller.

Vollmoellers Albatros-Sporteidecker. Beim Rollen auf dem Wasser wurde das Heck von einem kleinen Hilfsschwimmer gestützt.
Zeppelin Museum Friedrichshafen
Vollmoellers Albatros-Sporteindecker. Beim Rollen auf dem Wasser wurde das Heck von einem kleinen Hilfsschwimmer gestützt. Zeppelin Museum Friedrichshafen


Wieder Pech für den Flugzeugbau Friedrichshafen

Am Nachmittag des 30. Juni 1913, dem Tag nach der verregneten Eröffnung des Bodensee-Wasserflugs, startete Vollmoeller den Albatros-Sporteindecker, überflog den Kontrollpunkt Romanshorn und wendete in Richtung Radolfzell. Dort wasserte er wie vorgeschrieben hinter der Ziellinie, startete wieder und flog zurück nach Konstanz. Vollmoeller brauchte für die Strecke 95 Minuten.

Kohnert nahm den Wettbewerb am 2. Juli auf und lag am Ende des Kurses zwei Minuten hinter Vollmoeller. Weil er die Wendebojen in Romanshorn nicht korrekt umrundetet hatte, konnte sein Flug allerdings nicht gewertet werden. In große Schwierigkeiten hatte ihn zeitweise auch ein heftiges Gewitter gebracht.

Zwei Tage später versuchte Kohnert erneut, Vollmoeller vom ersten Platz zu verdrängen. Dabei unterlief ihm ein fatales Missgeschick. Nach der Landung in Radolfzell wollte er so zügig wie möglich wieder starten und machte auf dem Wasser eine sehr enge Wende. Sein Flugzeug kippte, eine Flügelspitze tauchte ins Wasser und ein Schwimmer wurde abgerissen. Kohnert blieb unverletzt, aber die schwere Beschädigung seines Flugzeugs warf ihn aus dem Rennen. Damit hatte der Flugzeugbau Friedrichshafen erneut den Kürzeren gegen Albatros gezogen.

Zwei schnittige Sportflugzeuge: vorne die FF 8 mit Kober als „Ausgleichsgewicht“, dahinter der Albatros-Eindecker. Zeppelin Museum Friedrichshafen

Weil Kohnert wegen der Disqualifikation keinen gültigen Wertungsflug vorzuweisen hatte, konnte ihm der zweite Preis nicht zuerkannt werden. Das Schiedsgericht sprach ihm als Anerkennung für seinen großen fliegerischen Einsatz aber trotzdem 2.000 Mark zu.


Ein Festbankett im Inselhotel

Am Abend des 5. Juli 1913 fand der Bodensee-Wasserflug im Inselhotel Konstanz seinen offiziellen Abschluss. Prominent vertreten waren neben Politik, Verwaltung, Heer und Marine auch die Nationalflugspende, der Kaiserliche Automobil-Club, der Deutsche Luftfahrer-Verband und die Industrie. Von den Piloten anwesend waren Hellmuth Hirth, zugleich technischer Direktor der Albatros-Werke, Robert Thelen, Robert Gsell, Hans Vollmoeller und Herbert Kohnert. Den offiziellen Teil beschloss die Verleihung der Preise.

In der Beurteilung der Fachwelt herrschte Einigkeit darüber, dass der Bodensee-Wasserflug in Konstanz ein Erfolg war. Trotz der Schäden an einigen Flugzeugen gab es nur leichtere Verletzungen, aber keine Todesopfer zu beklagen. Deren Anzahl war mit der Zunahme der Flugveranstaltungen deutlich angestiegen: in Deutschland von vier im Jahr 1910 auf 29 im Jahr 1912.


Mobilmachung der Luftfahrt

Der Wettbewerb in Konstanz 1913 lag in einem Jahr des großen Aufschwungs für die deutsche Luftfahrt. Das Fliegen war endgültig zu einem nationalen rüstungs- und wirtschaftspolitischen Anliegen geworden. Der expandierenden Flugzeug- und Motorenindustrie gaben die Beschaffungen der Heeresverwaltung Planungssicherheit und versprachen weitere Zuwächse.

Die Gelder aus der Nationalflugspende stellten die Pilotenausbildung auf eine breite und professionelle Basis und schufen attraktive finanzielle Anreize für die Flugzeugfirmen. 1913 hatte die Anzahl der Flugwettbewerbe in Deutschland gegenüber dem Vorjahr deutlich zugenommen. Deren Sinn bestand nicht mehr nur darin, möglichst schnell, weit oder hoch zu fliegen. Immer wichtiger wurden Übungen in der Aufklärung, dem simulierten Bombenwurf, der Luftbildfotografie oder dem schnellsten Auf- und Abbau von Flugzeugen. Häufig unterlagen die Leistungen von Flugzeugen und Piloten auch der Geheimhaltung.

In diesem Kontext ist der Konstanzer Wettbewerb von 1913 als Sonderfall zu bewerten. Das Wasserflugzeug als jüngster Zweig der Flugtechnik hatte noch nicht den Entwicklungsstand von Landflugzeugen erreicht und musste auf dem Weg zur militärischen Einsatzreife noch mit vielen technischen, meteorologischen, navigatorischen und fliegerischen Herausforderungen fertig werden. Von konkreten militärischen Aufgaben, wie sie das Heer der Landfliegerei bereits stellte, war man noch weit entfernt.


Warnemünde und wieder Konstanz

Um nach dem Intermezzo auf dem Bodensee den Anforderungen der Marine an brauchbare Wasserflugzeuge einen weiteren Schritt näher zu kommen, plante das Reichsmarineamt den großen Wettbewerb des Jahres 1914 in Warnemünde an der Ostsee.

Dennoch entschloss sich die Südwestgruppe des Deutschen Luftfahrer-Verbands zu einer eigenen Veranstaltung in Konstanz, wohl auch, um die aufwändige Infrastruktur erneut zu nutzen. Der zweite Bodensee-Wasserflug vom 24. bis zum 27. Mai 1914 fiel mit nur sechs gemeldeten Flugzeugen aber klein aus und wolkenbruchartige Regenfälle verhinderten aussagekräftige Vergleiche.

Die Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH hatte mit der FF 17 inzwischen ihren ersten Rumpfdoppeldecker mit Zentralschwimmer gebaut, den in Konstanz Wilhelm Truckenbrodt flog. Für den Warnemünder Wettbewerb wurde die FF 17 auf zwei Schwimmer gesetzt, weil die Marine diese Auslegung favorisierte. Die FF 17 stand am Anfang einer sehr erfolgreichen Reihe hochseetauglicher Seeflugzeuge des Flugzeugbau Friedrichshafen, die bis 1918 am Bodensee konsequent weiterentwickelt und in großen Stückzahlen gebaut wurden.

Die FF 17 mit Zentralschwimmer beim Bodensee-Wasserflug Im Mai 1914.
Zeppelin Museum Friedrichshafen
Die FF 17 mit Zentralschwimmer beim Bodensee-Wasserflug Im Mai 1914. Zeppelin Museum Friedrichshafen


Den Warnemünder Wettbewerb vom August 1914 verhinderte der Beginn des Ersten Weltkriegs. Die Mobilmachung der Luftfahrttechnik und der Flugzeugindustrie hatte schon vorher begonnen. Ab 1914 wurden Flugzeuge nicht nur theoretisch, sondern auch praktisch zu Waffen mit differenzierten Einsatzmöglichkeiten, die begannen Kriege immer stärker zu verändern.

Quellen und Literatur*

Ausschreibung des Bodensee-Wasserflugs, in: Deutsche Luftfahrer-Zeitschrift. Amtsblatt und Eigentum des Deutschen Luftfahrer-Verbandes, XVII. Jahrgang 1913, Nr. 12, S. 295f.

Béjeur, Paul: Der Bodensee-Wasserflug 1913, in: Deutsche Luftfahrer-Zeitschrift. Amtsblatt und Eigentum des Deutschen Luftfahrer-Verbandes, XVII. Jahrgang 1913, Nr. 14, S. 228f.

Der Bodensee-Wasserflug 1913, in: Deutsche Luftfahrer-Zeitschrift. Amtsblatt und Eigentum des Deutschen Luftfahrer-Verbandes, XVII. Jahrgang 1913, Nr. 16, S. 378-381.

Ursinus, Oskar: Bodensee-Wasserflug 1913, in: Flugsport. Illustrierte technische Zeitschrift und Anzeiger, No. 13, 25. Juni 1913, Jahrgang 5, S. 457-464.

Ursinus, Oskar: Bodensee-Wasserflug 1913, in: Flugsport. Illustrierte technische Zeitschrift und Anzeiger, No. 14, 25. Juni 1913, Jahrgang 5, S. 493-509.

Seeblatt. Tages- und Anzeigeblatt der Stadt Friedrichshafen, mehrere Ausgaben zwischen April und Juli 1913.

Gsell, Robert: 25 Jahre Luftkutscher. Vom Luftsprung zur Luftbeherrschung. Erlenbach-Zürich/Leipzig 1936.

Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Die Militärluftfahrt bis zum Beginn des Weltkrieges 1914, drei Bände, Textband, zweite überarbeitete Auflage, Frankfurt/Main 1966.

Ewald, Gustav: Theodor Kober. Der erste Ingenieur des Grafen Zeppelin 1892-1919 (Textband), o.O. 1971.

Borzutzki, Siegried: Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH. Diplom-Ingenieur Theodor Kober, Berlin, Königswinter 1993.

Wilczek, Elmar: Wasserflugzeuge vom Bodensee, in: Wolfgang Meighörner (Hrsg.): Zeppelins Flieger. Das Flugzeug im Zeppelin-Konzern und seinen Nachfolgebetrieben, Friedrichshafen 2006, S. 153 ff.

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*Die Inhalte dieses Quellen- und Literaturverzeichnisses beziehen sich auf alle drei Teile der Beitragsserie.

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