Kaum eine andere Region in Deutschland ist bis heute so eng mit der Geschichte des Wasserflugs verbunden, wie der Bodensee – besonders durch die Dornier-Flugboote aus der Zeit zwischen den beiden Weltkriegen. Dass mit der 1912 von Theodor Kober gegründeten Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH (FF) bis Anfang der 1920er Jahre ein anderes bedeutendes Unternehmen dieser Branche ebenfalls am Bodensee ansässig war, ist dagegen weit weniger bekannt.
Der Bodensee-Wasserflug-Wettbewerb in Konstanz, der vom 29. Juni bis zum 5. Juli 1913 stattfand, war so etwas wie ein Durchbruch für den FF. Als fliegerisches Großereignis sorgte er für Schlagzeilen und auf touristischen Ansichtskarten präsentierte sich Friedrichshafen von nun an als Zeppelin- und Wasserflugstandort.




Zeppelin Museum Friedrichshafen
Die Anfänge des Wasserflugs
Am 28. März 1910 war es dem Franzosen Henri Fabre als erstem Menschen gelungen, mit einem Flugzeug von einer Wasserfläche zu starten. Das gab den Impuls für eine neue Art von Flugwettbewerben. Neben sportlichen und verkehrstechnischen Ideen war die treibende Kraft die Suche großer Seemächte, wie zum Beispiel Großbritannien, Frankreich, den USA, Japan oder Deutschland, nach brauchbaren Wasserflugzeugen für Marinezwecke. Wie bei der Landfliegerei bereits üblich, motivierten hohe Preisgelder und die Aussicht auf staatliche Aufträge die Flugzeugfirmen, sich auf dem neuen Marktsegment zu betätigen.

Der erste deutsche Wasserflug-Wettbewerb im Sommer 1912 in Heiligendamm in Mecklenburg war ernüchternd verlaufen, denn alle teilnehmenden Flugzeuge scheiterten an den zu hohen Anforderungen der Marine und den Wetter- und Wasserverhältnissen der Ostsee.
Erst am 17. Juni 1912 gegründet, konnte der Flugzeugbau Friedrichshafen als Neuling in Heiligendamm natürlich noch nicht mit dabei sein.
Die Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH entsteht
Theodor Kober, der Anfang der 1890er Jahre als Ingenieur Grundlagenarbeit für Graf Zeppelins Luftschiffprojekt geleistet hatte, sah im Wasserflugzeug eine militärische und zivile Innovation, die er technisch und unternehmerisch vorantreiben wollte. Um eigene Flugerfahrungen zu sammeln, machte Kober 1912 mit 47 Jahren sogar noch den Pilotenschein. Nur zwei Inhaber in Deutschland waren damals älter.
Am 16. Juni 1912 startete das erste Wasserflugzeug vom Bodensee. Die bei diesem Flug von dem Amerikaner C.C. Wittmer gesteuerte Curtiss A-1 Triad hatte Kober als Basis für seine eigenen Entwicklungen in den USA erworben. Am nächsten Tag gründete er die Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH. Graf Zeppelin griff Kober dabei finanziell und durch Überlassung der alten Luftschiffhalle in der Manzeller Bucht unter die Arme, wurde Gesellschafter des Unternehmens und übernahm einen Sitz im Aufsichtsrat.

Zeppelin Museum Friedrichshafen

Zeppelin Museum Friedrichshafen
Außer an Marineflugzeugen arbeitete Kober vor dem Ersten Weltkrieg noch an Wasserflugzeugen für Verkehr und Sport und eröffnete 1913 eine Wasserflugschule. Die Werkspiloten des Flugzeugbau Friedrichshafen stellten Rekorde auf und machten das Unternehmen national und international bekannt.
Der Bodensee-Wasserflug kommt nach Konstanz
Den Wasserflug-Wettbewerb 1913 holte die Südwestgruppe im Deutschen Luftfahrer-Verband gegen den anfänglichen Widerstand des Reichsmarineamts an den Bodensee. Das Amt wollte zwar erneut eine Konkurrenz an der Ostsee, aber die Industrie drängte darauf, zuerst weitere Erfahrungen unter den weniger rauen Bedingungen eines Binnengewässers zu sammeln. Die Marine schloss sich dieser Argumentation schließlich an, wobei die Verhältnisse am Bodensee gelegentlich durchaus hochseeähnlich sein können.

Die einwöchige Veranstaltung umfasste Wettbewerbe in mehreren Kategorien, für die attraktive Preisgelder ausgesetzt waren. Dem Sieger im großen Preis vom Bodensee winkten beispielsweise 25.000 Mark, was heute rund 150.000 Euro entspräche. Für den ersten Platz im Rennen der Sportflugzeuge gab es noch 5.000 Mark. Außerdem war ein Wettbewerb um die schnellste Steigzeit auf 500 Meter ausgeschrieben und auch besondere Leistungen der Mechaniker wurden finanziell honoriert.
Ein Punktesystem bewertete die konstruktiven Komponenten der Flugzeuge, wie zum Beispiel das Schwimmwerk, den Schutz des Motors und des Propellers gegen Spritz- und des ganzen Flugzeugs gegen Seewasser, die Sicht aus dem Cockpit oder die leichte Demontierbarkeit der Tragflächen.
Vor den Wettbewerbsflügen mussten alle Flugzeuge vor einer Kommission ihren Befähigungsnachweis absolvieren. Das Reichsmarineamt bestand für den großen Preis vom Bodensee auf eine Amphibien-Auslegung. Das bedeutet, dass die Flugzeuge sowohl zu Lande als auch zu Wasser starten und landen können mussten. Die Kombination des Schwimmwerks mit einem hochziehbaren Fahrgestell erwies sich jedoch als kompliziert und störanfällig und wurde nach dem Wettbewerb 1913 zu Gunsten reiner Wasserflugzeuge wieder fallen gelassen.
Um Rückstände gegenüber anderen Ländern aufzuholen, durften in Konstanz nur Flugzeuge antreten, deren Hauptkomponenten mit Ausnahme des Motors – also Rumpf, Tragflächen, Schwimmer, Fahrgestell und Steuerung – in Deutschland hergestellt waren.
Logistische Vorbereitungen für ein spannendes Programm
Der organisatorische Aufwand hinter dem Bodensee-Wasserflug war erheblich. Am Anfang stand die Suche nach einem Areal zur Anlage eines Landflugplatzes mit einer Ablaufbahn ins Wasser. Als geeignet erwies sich ein Gelände im heutigen Konstanzer Stadtteil Staad direkt neben dem noch existierenden Wasserwerk. Auf dem Land entstanden zwei Holzhallen und sieben Zelte für die Montage und Unterstellung der Flugzeuge, auf dem Wasser wurden Bojen zur Markierung der Start- und Landeflächen gesetzt.

Entlang der Rennstrecken für den großen Preis bis Lindau und für die Sportflugzeuge bis Radolfzell befanden sich Kontrollstellen. Als mobiler Sicherungsdienst bei fliegerischen Zwischenfällen fungierten 30 Motorboote, die Scheinwerfer, Leuchtraketen und Signalflaggen an Bord hatten. Für Bergungszwecke lagen außerdem zwei Dampfschiffe mit Kränen in Bereitschaft.
Der Bodensee-Wasserflug versprach schon allein wegen der großen Anzahl der Teilnehmenden ein reichhaltiges Programm. Gemeldet waren 17 Flugzeuge von neun Herstellern. Sechs davon scheiterten jedoch an der Vorprüfung der Abnahmekommission oder erschienen gar nicht.
Neben dem Flugzeugbau Friedrichshafen beteiligten sich auch damals bekannte Namen wie Rumpler, Ago, Otto, Aviatik oder Union, die aber alle nur wenig Erfahrung mit der neuen Technik des Wasserflugzeugs hatten. Als einziges Unternehmen war Albatros mit gleich drei Flugzeugen am Start und nahm durch die Qualität seiner Konstruktionen und die auf Landflugzeugen bereits sehr erfolgreichen Piloten Hellmuth Hirth, Robert Thelen und Hans Vollmoeller eine Favoritenrolle ein.
Aber auch die Konkurrenz hatte profilierte Namen wie zum Beispiel Otto Lindpainter, Arthur Faller, Viktor Stoeffler oder den Österreicher Josef Sablatnik am Start. Der Flugzeugbau Friedrichshafen schickte mit Herbert Kohnert im Rennen der Sportflugzeuge und besonders mit dem in Sankt Gallen geborenen Robert Gsell, der um den großen Preis gemeldet war, die beiden Piloten mit den größten praktischen Erfahrungen in der Wasserfliegerei ins Rennen.
Auf Fachleute und die Schaulustigen warteten also ereignisreiche Tage mit viel aufregendem Flugbetrieb, denn die Piloten mussten auch vor und nach den Wettkämpfen jede Möglichkeit nutzen, um sich mit den besonderen fliegerischen Bedingungen am Bodensee vertraut zu machen und Flugzeuge und Motoren zu optimieren.
Entsprechend groß war der Publikumsandrang. Zur Bewältigung der Nachfrage nach Übernachtungsmöglichkeiten wurde sogar eine eigene Koordinierungsstelle eingerichtet. Die weiteste Anreise hatten übrigens drei japanische Marineoffiziere, die den Bodensee-Wasserflug im Rahmen einer größeren Studienreise besuchten.
Quellen und Literatur* Ausschreibung des Bodensee-Wasserflugs, in: Deutsche Luftfahrer-Zeitschrift. Amtsblatt und Eigentum des Deutschen Luftfahrer-Verbandes, XVII. Jahrgang 1913, Nr. 12, S. 295f. Béjeur, Paul: Der Bodensee-Wasserflug 1913, in: Deutsche Luftfahrer-Zeitschrift. Amtsblatt und Eigentum des Deutschen Luftfahrer-Verbandes, XVII. Jahrgang 1913, Nr. 14, S. 228f. Der Bodensee-Wasserflug 1913, in: Deutsche Luftfahrer-Zeitschrift. Amtsblatt und Eigentum des Deutschen Luftfahrer-Verbandes, XVII. Jahrgang 1913, Nr. 16, S. 378-381. Ursinus, Oskar: Bodensee-Wasserflug 1913, in: Flugsport. Illustrierte technische Zeitschrift und Anzeiger, No. 13, 25. Juni 1913, Jahrgang 5, S. 457-464. Ursinus, Oskar: Bodensee-Wasserflug 1913, in: Flugsport. Illustrierte technische Zeitschrift und Anzeiger, No. 14, 25. Juni 1913, Jahrgang 5, S. 493-509. Seeblatt. Tages- und Anzeigeblatt der Stadt Friedrichshafen, mehrere Ausgaben zwischen April und Juli 1913. Gsell, Robert: 25 Jahre Luftkutscher. Vom Luftsprung zur Luftbeherrschung. Erlenbach-Zürich/Leipzig 1936. Militärgeschichtliches Forschungsamt (Hrsg.): Die Militärluftfahrt bis zum Beginn des Weltkrieges 1914, drei Bände, Textband, zweite überarbeitete Auflage, Frankfurt/Main 1966. Ewald, Gustav: Theodor Kober. Der erste Ingenieur des Grafen Zeppelin 1892-1919 (Textband), o.O. 1971. Borzutzki, Siegried: Flugzeugbau Friedrichshafen GmbH. Diplom-Ingenieur Theodor Kober, Berlin, Königswinter 1993. Wilczek, Elmar: Wasserflugzeuge vom Bodensee, in: Wolfgang Meighörner (Hrsg.): Zeppelins Flieger. Das Flugzeug im Zeppelin-Konzern und seinen Nachfolgebetrieben, Friedrichshafen 2006, S. 153 ff. ---- *Die Inhalte dieses Quellen- und Literaturverzeichnisses beziehen sich auf alle drei Teile der Beitragsserie.