Ist ein Leben ohne negative Folgen für andere Menschen, Lebewesen und die Umwelt eine alltagstaugliche Chance oder ein utopisches Ideal?
„Angesichts wachsender ökologischer, sozialer und geopolitischer Bedrohungslagen und Herausforderungen im Anthropozän gewinnt diese Frage zunehmend an Brisanz und Dringlichkeit. Ab dem 23. Februar 2023 soll sie deshalb in einem Projekt, das das Zeppelin Museum Friedrichshafen in Kooperation mit dem Künstler, Autor und Designtheoretiker Friedrich von Borries durchführt, auf eindringliche Weise bearbeitet werden.
Die Besonderheit des geplanten Projekts ist, dass nicht nur eine theoretische Reflexion über die Möglichkeit eines folgenlosen Lebens stattfindet, sondern eine ganz praktische Erprobung erfolgt: So sollen für einen Zeitraum von drei Wochen unterschiedlichste Ideen für folgenloses Handeln konkret umgesetzt und in den Lebensalltag integriert werden. Auf diese Weise sind Möglichkeiten und Grenzen eines ökologisch wie sozial nachhaltigen Lebens am eigenen Leib erfahrbar. Darüber hinaus werden die verschiedenen Ideen auch in die Stadtgesellschaft getragen und können vielleicht an der ein oder anderen Stelle Transformationsprozesse zu mehr Nachhaltigkeit über die Projektdauer hinaus auf den Weg bringen.“
Mit diesem Aufruf hatte sich das Zeppelin Museum Ende vergangenen Jahres an die Bevölkerung Friedrichshafens gewandt und um die Einsendung von Projektvorschlägen für solch ein folgenloses Leben gebeten.
Aus allen Zusendungen sollten die kreativsten ausgewählt werden und die Personen, die diese Ideen vorgeschlagen haben, zu Botschafterinnen der Folgenlosigkeit ernannt werden. Soweit die Theorie.

Was in der Praxis dann jedoch geschah, hat uns selbst erstaunt und überrascht. Wir erhielten eine Bewerbung nicht von einzelnen Personen, sondern von einer ganzen Schulgemeinschaft – dem Graf Zeppelin Gymnasium. Und als Gemeinschaft haben sie auch nicht nur ein Projekt vorgeschlagen, sondern gleich drei, wobei die Projektkoordinatorinnen Rebekka Schnell und Nele Onnen darauf geachtet haben, dass jede am Schulleben beteiligte Gruppe vertreten war und einen Beitrag leistete.


Folgende Projekte hat sich die Schule auf die Agenda geschrieben:
1) fleischloses Mensaessen – in der Mensa werden nur vegetarische Gerichte angeboten und nicht wie jetzt eine Auswahl an vegetarischen und nicht-vegetarischen Essen – hier ist die gesamte Schulgemeinschaft gefragt „NICHT(S)- zu TUN“
2) plastikfreie Schule – alle am Schulleben Beteiligten verzichten auf den Kauf und die Nutzung von Einweg Plastikflaschen/-verpackungen und bringen entsprechende wiederverwendbare Flaschen und Behältnisse mit zur Schule – hier sind vor allem die Schülerinnen und Schüler gefragt „NICHT(S)- zu TUN“
3) papierlose Schule – im Projektzeitraum wird bis auf die Klassenarbeiten und in anderen ganz zwingenden Fällen nicht kopiert und nach anderen kreativen Formen der Unterrichtsdokumentation gesucht – hier sind vor allem die Lehrerinnen und Lehrer gefragt ihren Unterricht so vorzubereiten und zu gestalten, dass sie „NICHT(S)-TUN“
Da diese Projektskizze im Auswahlprozess vollauf überzeugt hat, haben wir, das Team des Zeppelin Museums, das Graf-Zeppelin-Museum zu unseren Botschafterinnen der Folgenlosigkeit berufen. Doch dann ging es eigentlich erst richtig los. Denn dann passierte etwas, was wir uns zwar gewünscht, aber niemals erwartet hätten:
Die Idee begann zu leben und sich weiterzuentwickeln, immer neue Kolleginnen schlossen sich an, immer neue Vorschläge wurden geboren und Teilprojekte kamen hinzu, aber auch neue Hürden taten sich auf.

Und dann waren sie endlich da, die Wochen der Folgenlosigkeit und des Nicht(s)-Tuns. Während des gesamten Projektzeitraums spürte man, dass das Graf-Zeppelin-Gymnasium von der Atmosphäre des Nicht(s)-Tuns durchzogen war. In der Aula standen Strandliegen, auf denen man sich in den Pausen oder zwischendurch ausruhen und einfach mal Nichts-Tun durfte und sollte, Klassen und Kurse haben Filme gedreht und Expertinnen interviewt, miteinander diskutiert oder Presseberichte über das Projekt verfasst, und die Theatergruppe hat eigens eine Performance einstudiert.

Das Projekt hat sogar so weite Kreise gezogen, dass auch der in der Nachbarschaft befindliche Unverpackt-Laden Tante Emmas Bruder mitgemacht hat und alle Schülerinnen und deren Familien bei ihrem Einkauf dort Preisvergünstigungen erhalten haben.
Vielleicht, das wäre unsere große Hoffnung, bleiben diese Wochen der Folgenlosigkeit also gar nicht so folgenlos und tragen etwas bei zu einem nachhaltigeren und ressourcenschonenderen Umgang miteinander – nicht nur im Schul-, sondern auch im Alltagsleben Friedrichshafens. Dann hätte sich das Nicht(s)-Tun wirklich gelohnt!
Die Abschlussfeier des Projekts, an dem die Teilprojekte nochmals vorgestellt werden, eine Live-Aufführung der Performance stattfindet und die Wochen der Folgenlosigkeit nochmals gemeinsam gefeiert werden, findet am Mi, den 22.03.2023 ab 17.30 Uhr im Zeppelin Museum statt. Alle Interessierten sind herzlich eingeladen, mitzufeiern!