Fahrten des LZ 130 Graf Zeppelin
Hugo Eckener war seit dem Unglück der Hindenburg überzeugt, dass Luftschiffe mit Wasserstofffüllung keine Passagiere mehr transportieren sollten. Die ausbleibende Helium-Lieferung für LZ 130 Graf Zeppelin hätte somit das Ende des Luftschiffs noch vor dessen Indienststellung bedeutet. Doch das Luftfahrtministerium erklärte sich zur Befüllung mit Wasserstoff bereit – offiziell, um es für Schulungs- und Propagandafahrten zu nutzen. Für Passagierfahrten war der Zeppelin nicht mehr zugelassen worden.
In Wirklichkeit bestand der Hauptverwendungszweck des Luftschiffs in der Funkspionage, folglich in einer militärischen Nutzung, wie Harold Ickes es befürchtet hatte. Die Verletzbarkeit des Luftschiffs als großes Ziel für die gegnerische Flugabwehr diente als Tarnung der Spionageaktivitäten. Für die Spionage ließ das Reichsluftfahrtministerium noch einige Einbauten vornehmen.

Im großen quer liegenden Speisesalon wurden 24 Messplätze mit Geräten für alle Wellenlängen eingerichtet. Außerdem gab es Schreibgeräte und Oszillographen zum Aufzeichnen der Messdaten an Bord. Bedient wurden diese Geräte von zwanzig bis dreißig Funkern in Zivil, die von der Luftnachrichtenschule in Halle abkommandiert worden waren, sowie einigen Hochfrequenztechnikern. Je nach Fahrtroute waren auch Dolmetscher mit an Bord.
Insgesamt absolvierte LZ 130 30 Fahrten. Die Erstfahrt, geführt von Hugo Eckener, fand am 14. September 1938 direkt nach der Taufe als Probefahrt statt und dauerte etwa 10 Stunden. Die Route führte u. a. über München, Augsburg und Ulm und wieder zurück an den Standort Friedrichshafen.
Bei der zweiten Fahrt zwei Tage später, ebenfalls unter Eckeners Kommando, wurden die Reichweite und Ausdauer des Zeppelins getestet. Die Fahrt dauerte 26 Stunden und führte über Hamburg.
Die dritte Fahrt fand am 22. September 1938 statt und es war das letzte Mal, dass Hugo Eckener ein Luftschiff führte. Danach war es – bis auf eine Fahrt unter dem Kommando Hans von Schillers – ausschließlich Albert Sammt, der LZ 130 führte.
Start war um 08:13, die Landung erfolgte um 19:27 Uhr. Es war die dritte Versuchsfahrt von LZ 130: Eine 1215-Kilometer-Schleife von Friedrichshafen über München und Wien, und wieder zurück. Dabei handelte es sich um die erste Fahrt zum Zweck der Funkspionage im Auftrag des Reichsluftfahrtministeriums (RLM). Sie führte entlang der tschechischen Grenze und wurde mit als zivil getarnten Militärflugzeugen eskortiert.
Auch die fünfte und die sechste Fahrt waren Erprobungsfahrten. Dabei funktionierte die Ballastwassergewinnungsanlage einwandfrei.
Die siebte Fahrt unter Kapitän Sammt war die letzte Abnahmefahrt von LZ 130 und gleichzeitig die Überführung zum Flug- und Luftschiffhafen Frankfurt am Main, dem neuen Standort des LZ 130. Die Landung erfolgte nach fast 25 Stunden und über 2.100 Kilometern. Das Luftschiff und die Besatzung wurden von Gauleiter Sprenger auf dem neuen Heimathafen begrüßt. Nach dieser Fahrt erhielt LZ 130 am 14. November 1938 den „Luftschiff-Zulassungsschein“. Damit war es für den Luftverkehr zugelassen und wurde in die deutsche Luftfahrzeugrolle eingetragen, jedoch unter der Beschränkung, keine Passagiere transportieren zu dürfen.

Die nächste Fahrt führte ins Sudetenland. Sie wurde auf Anweisung des Propagandaministeriums durchgeführt und auf Wikipedia wie folgt beschrieben:
„Nach der Volksabstimmung mit großer Mehrheit für Hitler und die NSDAP wurden viele Propagandamittel ausgeschöpft, dazu gehörte auch eine Zeppelinfahrt über die ‚befreiten Gebiete‘. Es befanden sich 62 Besatzungsmitglieder und 7 Passagiere, darunter deutsche Militärs, an Bord. Der Start erfolgte am 2. Dezember 1938 um kurz nach 10 Uhr. Über Reichenberg, der Hauptstadt des Sudetenlandes, über der LZ 130 genau zum Zeitpunkt des Besuches von Hitler schwebte, wurden kleine Fallschirme mit Hakenkreuzfahnen und Flugblätter mit dem Spruch ‚Dein JA dem Führer!‘ abgeworfen. Aus den Lautsprechern von LZ 130 ertönten Musik und nationalsozialistische Wahlpropaganda für die am 4. Dezember anstehenden Wahlen. Danach fuhr LZ 130 zum Flugplatz Reichenberg und warf 663 kg Post ab. Die Weiterfahrt wurde durch schlechter werdendes Wetter erschwert, daher wurde nach einiger Zeit entschieden umzukehren. Nachdem man das Sudetenland verlassen hatte, geriet das Schiff in niedrige Wolken und Schneeschauer. Es kam auch zu Vereisungen. Später durchschlugen von den Propellerblättern abbrechende Eisstücke die Außenhaut des Luftschiffes. Die Schäden wurden jedoch sofort von der Besatzung behoben. Um 17:46 Uhr [am 3. Dezember nach 31,5 Stunden Fahrt] setzte der Zeppelin bei böigem Wind problemlos auf und wurde in die Luftschiffhalle gebracht.“
Fliegervereine, Luftschiffverbände und andere Luftsportgruppen veranstalteten im Sommer 1939 fast jeden Sonntag in einer deutschen Großstadt einen Flugtag, an dem auch LZ 130 landen und wieder aufsteigen sollte. Während der Monate Juli und August landete der Zeppelin in Meiningen, Leipzig, Görlitz, Bielefeld, Münster, Kassel, Würzburg, Eger und Essen-Mülheim.

Dr. Ernst Breuning vom RLM, der für die Spionageaktivitäten des LZ 130 verantwortlich war, schrieb im Buch von Albert Sammt „Mein Leben für den Zeppelin“:
„Die anzufahrenden Ziele und die Meßaufgaben wurden immer mit dem Luftnachrichtenchef Oberst Martini und mit dem Generalstab abgesprochen. Ich legte dann die Routen fest. Wir konnten offiziell nur innerhalb der Reichsgrenzen und auf der offenen See operieren.
Einige Male ließen wir die Motoren ausfallen, um damit Grenzverletzungen zu rechtfertigen. Zur Tarnung unserer wahren Tätigkeit besuchten wir, vor allem im Sommer 1939, zusätzlich Veranstaltungen wie Flugtage, wobei auch manchmal an diesen Orten gelandet und Post ausgetauscht wurde.“


Die längste Fahrt des LZ 130 Graf Zeppelin fand am 2. August 1939 statt und führte entlang der englischen Ostküste bis hinauf zu den Shetland Islands. Sie war über 4.200 km lang und dauerte 48 Stunden. Hauptaufgabe dieser Fahrt war es, Informationen über das englische Radarsystem zu sammeln. Dafür waren 45 Besatzungsmitglieder und 28 Personen für die Messungen an Bord. Start war um 20:53 Uhr. Ernst Breuning berichtete über die Rückfahrt:
„Auf der Rückfahrt stellten wir über dem Meer vor Aberdeen – weil wir dort neuartige Antennenmaste gesehen hatten – die Motoren ab und meldeten nach Stettin einen Motorschaden. So ließen wir uns als Freiballon vom Ostwind in das Land hineintreiben. Unter uns liefen Schnellboote aus und wir bekamen zum ersten Mal die brandneuen Spitfires zu sehen, die unser Schiff umkreisten; wir fotografierten sie auch. Offensichtlich wurde es den Engländern zu bunt: wir hatten den Bogen überspannt.
Als wir nämlich am Abend des nächsten Tages von dieser Fahrt nach Frankfurt zurückkamen und uns wie immer auf Langwelle der Flugsicherung zur Landung anmeldeten, ließ man uns wissen, daß eine Landung zur Zeit nicht möglich sei. (…) So drehten wir ab und fuhren einstweilen in Richtung Rhön und fragten nochmals an. Wieder erhielten wir die Antwort: ‚Landung vor Einbruch der Dunkelheit nicht möglich.‘ Das kam uns dann doch seltsam vor. Ich sagte zu Kapitän Sammt: ‚Jetzt fahren wir doch zurück nach Frankfurt und versuchen über das UKW-Sprechfunkgerät mit der Landemannschaft selbst zu sprechen. Dann hört uns, wenn wir nur vierhundert Meter hoch sind, kein Franzose, und außerdem können wir dann auf schwäbisch telefonieren und dann schwätzen wir mit dem Leiter der Haltemannschaft, Fahringenieur Beuerle!‘ So haben wir es dann auch gemacht. (…) Von Beuerle mußten wir hören: ‚Ihr könnt jetzt nicht runter, hier ist ganz dicke Luft. Die Engländer haben auf diplomatischem Weg gegen eure Aktion protestiert. Hier auf dem Platz steht nun eine englische Abordnung, die mit Einverständnis der deutschen Behörden das Schiff unmittelbar nach der Landung inspizieren will. Ihr steht im Verdacht, Euch völkerrechtswidrig verhalten zu haben. Wir überlegen, was wir nun tun.‘
Daraufhin sind wir wieder abgedreht. Bald darauf erhielten wir die Anweisungen: Klar Schiff machen, das heißt alle Meßgeräte im Schiff verstecken. Nicht am üblichen hellbeleuchteten Landekreuz landen, wo zwar eine Haltemannschaft steht, sondern am anderen Ende des Flugfeldes, wo sich dann die echte Haltemannschaft durch Blinkzeichen bemerkbar machen wird. Nach der Landung alle Breuning-Leute sofort aussteigen lassen. Dafür wird ein SA-Sturm von Frankfurt an Bord gehen als Besatzung.
Der Platzkommandant, Oberst Freiherr von Buttlar-Brandenfels – ein erfolgreicher Marineluftschiffkapitän des ersten Weltkrieges – hatte alles hervorragend organisiert. Die Engländer standen am falschen Landeplatz, Man erklärte ihnen, daß das Schiff aus meteorologischen Gründen an anderer Stelle des Flughafens habe heruntergehen müssen. Bis sie über das Flugfeld zum Luftschiff kamen, waren wir mit Sack und Pack aus dem Luftschiff ausgestiegen und saßen schon im Omnibus zum Frankfurter Hotel ‚Vier Jahreszeiten‘. Die Engländer untersuchten dann das Schiff, fanden aber nichts, mit dem sie ihren Verdacht hätten beweisen können, und auch die SA-‚Passagiere‘ brauchten ihre Unwissenheit nicht zu heucheln.“
Breuning hatte an 16 Fahrten teilgenommen. Ab und zu entsandte er als seinen Vertreter Oberinspektor Bruno Hain zu den Fahrten.
Als es Probleme bei der Ortung von UKW gab, wandte sich Breuning an den LZ. Dort hatte Oberingenieur Hilligardt, der Chefelektriker des LZ, die Idee, einen historischen Spähkorb aus dem Ersten Weltkrieg wieder zu aktivieren und darauf eine Peilantenne mit Empfänger anzubringen. Breuning hatte noch nie etwas vom Spähkorb gehört. Daraufhin wurde ihm erklärt, dass es sich um einen bemannten Korb handle, der mittels einer Winde an einem Stahlseil mehrere hundert Meter unter dem Luftschiff herabgelassen werde und direkt unter der Wolkendecke nahezu unsichtbar spionieren könne. Breuning nannte den Spähkorb fortan nur noch Messkorb. Die Kommunikation mit dem Luftschiff verlief nicht – wie im Ersten Weltkrieg – über Telefonkabel, sondern über UKW. Der Arbeitsplatz im Messkorb war sehr beliebt, weil darin geraucht werden durfte.
Die 30. und letzte Fahrt, die sogenannte Essen-Mülheim-Fahrt, fand am 20. August 1939 statt, mit Start- und Zielort Frankfurt am Main unter der Führung von Albert Sammt. Nach dieser Fahrt war es mit der deutschen Großluftschifffahrt vorbei.

Stillgelegt und abgewrackt
Ende August 1939 wurde das Schiff mit der Begründung drohender Kriegsgefahr außer Dienst gestellt. Am 1. September 1939, dem Beginn des Zweiten Weltkriegs, wurde das Schiff in der Frankfurter Halle am Dach aufgehängt und die Gaszellen wurden geleert. 180.000 m³ Wasserstoffgas entwichen in die Luft. Das Schiff wurde für eine längere Liegezeit in der Luftschiffhalle vorbereitet. Es erfolgten Arbeiten, um das Schiff zu konservieren und für eine Wiederinbetriebnahme bereitzuhalten. Diese Arbeiten wurden jedoch im Januar 1940 eingestellt.
Nach einem Besuch Hermann Görings Anfang März 1940 in Frankfurt, bei dem er sich sehr ablehnend gegenüber den Luftschiffen gezeigt hatte, erging der Befehl, zur Verschrottung von LZ 127 und LZ 130 und Verwertung, d. h. Zerstörung und Abtragung der Hallen auf dem Flughafen Rhein-Main. Der Platz würde, so hieß es, für die vielen dort stationierten Flugzeuge benötigt.
Die Leitung der DZR versuchte alles Erdenkliche, um dieses Schicksal abzuwenden. Doch die Situation war hoffnungslos.
Am 8. März 1940 war mit den Arbeiten begonnen worden, am 27. April erfolgte die Meldung über den Vollzug der Verschrottung der Luftschiffe. Am dritten Jahrestag des Unglücks von Lakehurst, am 6. Mai 1940 erfolgte um 8.12 Uhr der Befehl zur Sprengung der Hallen. Das war das offzielle Ende der nunmehr historischen Zeppelin-Luftschifffahrt.
Quellen
Manfred Bauer, John Duggan: LZ 130 Graf Zeppelin und das Ende der Verkehrsluftschiffahrt. Friedrichshafen 1998
Deutsche Installateur- und Klempner-Zeitung Nr. 46, Hagen 1938
Fahrtberichte aus dem Archiv des Zeppelin Museums Friedrichshafen
Hugo Eckner: Im Zeppelin über Länder und Meere, Flensburg 1949
Albert Sammt: Mein Leben für den Zeppelin. Pestalozzi-Kinderdorf Wahlwies 1988
Hans von Schiller: Zeppelin. Aufbruch ins 20. Jahrhundert, Bonn 1988
Wikipedia-Eintrag zu LZ 130
Teil 1 der Beitragsserie „Das Schwesterschiff der Hindenburg: LZ 130 Graf Zeppelin“ finden Sie hier.
Wunderbar!Es ist gut,solche Geschichten immer wieder neu zu veröffentlichen.Herzlichen Dank.