Das Schwesterschiff der Hindenburg: LZ 130 Graf Zeppelin – Teil I

LZ 130 war der letzte große Zeppelin, der vor dem Zweiten Weltkrieg gebaut und in Dienst gestellt wurde. Er sollte für den Weltluftschiffverkehr eingesetzt werden. Doch noch während LZ 130 gebaut wurde, musste man dies aus zwei Gründen in Frage stellen:  Zum einen waren es die Vorbereitungen auf einen Krieg, in dem das Luftschiff strategisch keine Rolle mehr spielte, außer zu Spionagezwecken vor dem Krieg. Zum anderen war es das Unglück des Schwesterschiffes LZ 129 Hindenburg in Lakehurst am 6. Mai 1937, bei dem viele Menschen ums Leben kamen.

Dr. Hugo Eckener, der Geschäftsführer der Luftschiffbau Zeppelin GmbH (LZ), taufte LZ 130 Mitte September 1938 auf den Namen Graf Zeppelin. Der erste Graf Zeppelin war LZ 127, ein Luftschiff, das enorm viele Fahrten problemlos und erfolgreich absolviert hatte und bei den Zeppeliner*innen liebevoll nur „der Graf“ genannt wurde.

Anders als LZ 127 und LZ 129 wurde LZ 130 nicht zum Passagiertransport, sondern für Propaganda und auch Spionagezwecke eingesetzt.

Unterschiede zwischen LZ 129 und LZ 130

LZ 129 Hindenburg und LZ 130 Graf Zeppelin waren äußerlich weitgehend identisch. Im Hinblick auf den notwendig gewordenen Einsatz von Helium als Traggas wurden beim Bau des LZ 130 neue Erkenntnisse umgesetzt. Bei LZ 130 wurde z. B. erstmals bei einem deutschen Starrluftschiff eine Ballastwassergewinnungsanlage von vornherein eingebaut, die dazu diente, Wasser aus den Abgasen der Motoren zu kondensieren. Dadurch sollte der Gewichtsverlust ausgeglichen werden, der durch den Treibstoffverbrauch entstand.

Graphische Darstellung des Luftschiffes mit Blick in die Konstruktion und auf die innen liegenden Passagierdecks © Zeppelin Museum Friedrichshafen

Am meisten aber wurden bei LZ 130 die Einbauten verändert. Im LZ 129 konnten 72 Passagiere mitfahren und übernachten; im LZ 130 waren nur Plätze für 40 Fahrgäste vorgesehen. Durch eine veränderte Anordnung der Räume konnte die Inneneinrichtung verbessert werden. Da Helium eine geringere Tragkraft als Wasserstoff besitzt, war es notwendig geworden bei allen Komponenten des Schiffes so viel Gewicht wie möglich einzusparen.
Zum Zeitpunkt des Baues von LZ 130 war Dr. Eckener mit den Amerikanern im Gespräch über Heliumlieferungen.

Anders als bei LZ 129 lag der Speisesaal nun querschiffs und einige Stufen höher, so dass man auch an den Tischen sitzend eine gute Aussicht aus den seitlichen Fenstern hatte. Neben den beiden Promenadendecks wurden Hallen eingebaut, an die sich an Backbord die Rauchkabine und an Steuerbord vier Luxuskabinen anschlossen. Diese sowie die weiter innen liegenden Kabinen wurden mit Fenstern versehen.

Die Küche konnte man sowohl elektrisch als auch durch die Auspuffabgase der Motoren beheizen. Die Mannschaftskabinen waren nahe an die Passagierkabinen angebaut und konnten – im Gegensatz zu den Mannschaftskabinen in der Hindenburg fast alle beheizt werden.

Den sanitären Anlagen im LZ 130 war in der Hagener Zeitschrift für „Installateure und Klempner“ Nr. 46 aus dem Jahr 1938 ein mehrseitiger Artikel gewidmet. Darin stand:

„Das Luftschiff LZ 130, das ursprünglich eine Fahrgastraumanlage für 70 Fahrgäste erhalten sollte, konnte infolge der Umstellung auf Helium nur noch eine solche für 40 Fahrgäste erhalten. Und auch hierbei mußten die sanitären Anlagen auf ein Minimum reduziert werden. An solchen sind eingebaut:

  1. Frischwasser-, Warmwasser- und Abwasseranlage für die Waschgelegenheiten in jeder Schlafkammer und verschiedenen Nebenräumen, sowie Trink-, Koch- und Spülwasser für Küche, Spülküche, Anrichte und Bar. (…)
  2. Wascheinrichtungen.
    Geringstmögliches Gewicht, kleiner Platzbedarf und hygienisch einwandfreies Material waren die Forderungen, die zu den (…) Wascheinrichtungen in den Schlafräumen führten. Die ganze Waschnische mit Waschbecken ist in weißem Mipolam ausgeführt und wiegt 5 kg. Das ohne Lösung von Befestigungen leicht herausnehmbare Waschbecken ist nach oben klappbar, wobei gleichzeitig die Entleerung des Beckens erfolgt. Kalt- und Warmwasserzufuhr erfolgen durch 2 getrennte Druckzähne, die aus dünnem Messingblech hergestellt, gelötet und vernickelt sind. (…)
  3. WC-Anlage.
    Jeder Versuch, Wasserspülklosetts für Luftschiffe zu entwickeln, scheiterte an zu hohem Gewicht und zu großem Wasserverbrauch. Es wurde daher beim Bau des Luftschiffes ‚Hindenburg‘ eine Klosettanlage entwickelt, die die Verwendung von Wasser ganz vermeidet. Die verschiedenen Nachteile einer solchen Anlage konnten hierbei durch entsprechende Konstruktionsmaßnahmen vermieden werden. Entscheidend war die Geruchfreiheit der Anlage, die dadurch erreicht wurde, daß die Klosetts durch 2 Entlüftungshauben etwa 155 mm unterhalb der Brille durch einen Entlüftungsventilator kräftig entlüftet werden. Die Urinfässer sind ebenfalls an diese Entlüftung angeschlossen. Die Entlüftung wird auch bei liegendem Schiff solange in Betrieb gehalten, bis die unter den Klosetts bzw. Urinbecken befindlichen Fässer abgenommen und entleert sind.“
Die fast fertig angebaute hintere Backbord-Maschinengondel mit dem Zugpropeller
© Zeppelin Museum Friedrichshafen

Der deutlichste optische Unterschied zwischen LZ 129 und LZ 130 zeigte sich in der Anordnung der Luftschrauben. Während LZ 129 hinten an den Motorgondeln angeordnete Druckpropeller hatte, wurden bei LZ 130 Zugpropeller verwendet. Diese Änderung sollte dafür sorgen, dass die Abgas-Kühler der Ballastwassergewinnungsanlage an den Maschinengondeln besser vom Propellerwind angeströmt wurden.

Technische Angaben des LZ 130

Name:Graf Zeppelin
Länge:245 Meter
Größter Durchmesser:41,2 Meter
Anzahl der Zellen:16
Traggas-Volumen:200.000 m³
Antrieb:4 Daimler-Benz-16-Zylinder-Dieselmotoren
PS pro Motor / Gesamt-PS:1.200 / 4.800
Höchstgeschwindigkeit:132 km/h
Anzahl der Gondeln / Propeller:5 / 4

Das Traggas-Problem

Nachdem die Untersuchungen zum Unglück der LZ 129 Hindenburg noch im Jahr 1937 abgeschlossen waren, reiste Hugo Eckener nach Washington, um sich für Helium-Lieferungen an die Deutsche Zeppelin-Reederei (DZR) einzusetzen. Aus gut unterrichteten Kreisen hatte er vernommen, dass Präsident Roosevelt die Lieferungen befürwortete, weil er ein Freund der „Zeppelin-Sache“ war. Allerdings gab es ein amerikanisches Gesetz aus den 1920er Jahren, das Helium-Lieferungen ins Ausland verbot. Nur der Kongress konnte das Gesetz außer Kraft setzen.

Hugo Eckener schrieb in seinem Buch „Im Zeppelin über Länder und Meere“, dass er sich an den demokratischen Senator Joseph Robinson aus Arkansas wandte, den er einmal persönlich kennengelernt hatte. Robinson lud Eckener und einige einflussreiche Senatoren zum Frühstück ins Senatsrestaurant ein, wo Eckener nach dem Frühstück sein Anliegen vortrug. Unter den Anwesenden war auch der amerikanische Vize- und Senatspräsident John Garner, der Eckener vorschlug, an einem der nächsten Tage vor der Militärkommission im Senat zu erscheinen, um deren Fragen zu beantworten. Eckener erinnerte sich:

„Es war das eine ganz besondere Auszeichnung, und die ‚Washington Post‘ bemerkte dazu, daß es das erstemal in der Kongreßgeschichte sei, daß ein Ausländer von einer Militärkommission des Senats gehört worden sei. Der Vorgang hatte nun zur Folge, daß der Vorsitzende der Militärkommission des Repräsentantenhauses sich mit der Bitte an mich wandte, ich möge auch vor dieser Kommission erscheinen, was ich natürlich tat.

Die Fragen, die man mir vorlegte, drehten sich alle um den kritischen Punkt, ob der Zeppelin, wenn er mit Helium gefüllt würde, noch einen militärischen Wert habe. Ich konnte mit gutem Gewissen und in überzeugender Weise diese Frage verneinen, und es wurde dann auch schon in der überraschend kurzen Zeit von ein paar Wochen vom Kongreß beschlossen, und vom Präsidenten genehmigt, daß das Helium-Gesetz vom Jahre 1927 zugunsten der Zeppelin-Gesellschaft abgeändert wurde. Die betreffende Abänderung bestimmte, daß die Zeppelin-Reederei eine beschränkte Menge Helium, wie sie zur Füllung und zum Betrieb ihrer Luftschiffe benötigt würde, jährlich erhalten solle, und zwar wurde zunächst eine Menge von 10 Millionen Kubikfuß (etwa 300.000 Kubikmeter) zur Verfügung gestellt, womit das in Bau befindliche Ersatzschiff für den ‚Hindenburg‘, der ‚Graf Zeppelin 2‘, gefüllt und in Betrieb gehalten werden könne.“

Um zu gewährleisten, dass das Helium nicht zu Kriegszwecken verwendet würde, rief man in den Vereinigten Staaten als Überwachungsgremium eine Helium-Kommission ins Leben, die aus den Staatssekretären des Innen- und Außenministeriums, der Armee, der Marine und des Schatzamtes bestand. Vorsitzender dieser Helium-Kommission war der Innenminister Harold Ickes.

Dann wurde damit begonnen das Helium zu liefern. Dafür waren bereits im Januar 1938 Heliumbehälter (große Gasflaschen) vom deutschen Frachter Dessau zum texanischen Hafen Galveston geliefert worden. Die amerikanische Marine hatte ihre Heliumtankwagen zur Befüllung dieser Behälter zur Verfügung gestellt.

Mit dem Einmarsch deutscher Truppen in Österreich im März 1938 änderte sich die politische Gesamtlage jedoch wesentlich, sodass das US-amerikanische Innenministerium unter Ickes die Ausfuhrgenehmigung für Helium wieder zurücknahm.  Auch wurden Schutzklauseln zur bestimmungsgemäßen Verwendung des Traggases gefordert. Ickes teilte öffentlich seine Besorgnis darüber, dass das Helium zu militärischen Zwecken missbraucht werden könnte.

Eckener, der extra nochmals in die Vereinigten Staaten gereist war, um den Stopp der Lieferungen zu verhindern, hatte eine Unterredung mit Harold Ickes, die äußerst unangenehm verlief. Auf die Frage Hugo Eckeners, warum er die bereits zugesagte Helium-Lieferung plötzlich unterbunden habe, antwortete Ickes:

„Weil Ihr Hitler Krieg vorbereitet.“

Im Verlauf des folgenden Dialogs beharrte Ickes darauf, dass die Deutschen das Helium zu kriegerischen Zwecken für Zeppeline oder Fesselballons nutzen könnten. Obwohl Eckener das stets verneinte und auch damit begründete, dass sowohl Zeppeline als auch Fesselballons für Kriegszwecke schon längst veraltet seien, blieb Ickes bei seiner Meinung. Eckeners Mission war gescheitert und einige Tage später fuhr der Geschäftsführer des LZ unverrichteter Dinge mit dem Schiff zurück nach Deutschland.

So kam es, dass die 16 Traggaszellen von LZ 130 Mitte August 1938, wie die aller Zeppeline zuvor, mit Wasserstoff gefüllt wurden. Ab dem 20. August begann man, die Motoren und die Elektrik zu erproben, ab dem 22. August wurde die Funkanlage getestet.

Glückwunschtelegramm von Hermann Göring anlässlich der ersten Probefahrt des neuen Luftschiffs
© Zeppelin Museum Friedrichshafen

Früh am Morgen des 14. September 1938 fand die Taufe des Luftschiffs statt, bei der nur die Belegschaft des LZ und die Besatzung der DZR anwesend waren. Reichsluftfahrtminister Hermann Göring sandte ein Glückwunschtelegramm.

Teil 2 der Beitragsserie „Das Schwesterschiff der Hindenburg: LZ 130 Graf Zeppelin“ finden Sie hier.

2 Antworten auf „Das Schwesterschiff der Hindenburg: LZ 130 Graf Zeppelin – Teil I“

  1. Eine sehr tolle Geschichte. Sehr gut geschrieben. Die Erfahrung, sei es mit dem Flugzeug, dem Heissluftballon, dem Segelflieger in die Höhe zu gleiten, muss ein unvergessliches Erlebnis sein. Sicherlich damals noch viel mehr, als heutzutage. Und sicherlich ein sehr grosser Luxus.

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