Was hat Diversity mit unseren Führungskonzepten zu tun?

Teil 1 unserer Öffnungsphase hin zu mehr Diversität und kritischer, multiperspektivischer Vermittlung hat mit Handan Kaymaks Workshop „Was hat Diversity mit uns zu tun?“ begonnen – im zweiten Schritt ging es um das Überdenken und Überarbeiten von Führungskonzepten durch unsere Dauerausstellungen.
Wie können kritische Impulse eingebaut werden? Wie kann mehr als nur eine Perspektive erzählt werden? Was können blinde Flecken sein? Wie zeigt sich Diversity in unseren Führungen?
Hier haben wir einige Stimmen von Teilnehmer*innen versammelt.


Diversität und Multiperspektivität sind für unser Museum extrem wichtig. Mit neuen Blickwinkeln, neuen Fragestellungen und neuen Perspektiven an unsere Sammlung heranzutreten, hilft uns zu verstehen, dass Geschichte keineswegs eindimensional ist. Mit unterschiedlichen Hintergründen fallen uns auch unterschiedliche Fragen zur umfangreichsten Luftschifffahrtssammlung ein, wir erhalten neue Erkenntnisse, neue Projektionsflächen und lernen letztendlich auch mehr über uns selbst. Es reicht daher auch nicht aus, sich temporär mit Diversität zu beschäftigen, sondern es ist vielmehr ein nie abgeschlossener Prozess, der ständig wiederholt werden muss.

Felix Banzhaf (wiss. Mitarbeiter Abteilung Zeppelin)


Teil 2 der Diversity-Runde war für mich eine erwünschte und total spannende Fortsetzung. Die praktischen Übungen am Ort des Geschehens waren hochinteressant und so ausgedacht, dass man sich mächtig verkopfen musste bzw. durfte. Zwar schwirrte mir am Ende unseres Treffens leicht der Kopf von den unterschiedlichen Gedankensträngen, Fragestellungen und Ausführungen. Und die vielen – teilweise auch kontroversen – Gespräche ließen mich zunächst leicht verwirrt zurück. Nachdem ich mich aber sortiert habe, kann ich sagen: Der Tag war sehr informativ, inspirierend, und für mich auch ein Appell, wach zu sein und wach zu bleiben. Gespräche mit anderen Guides, die –endlich – in Live-Atmosphäre stattgefunden haben, haben mich auf Ideen gebracht, wie man die Tour durch die Ausstellungen auch strukturieren kann. Fast wünsch(t)e ich mir, bei manchen Führungen der Kolleginnen und Kollegen Mäuschen spielen zu können, um zu erfahren, wie es auch geht – jenseits des Konzeptes, das ich mir selbst als Grundlage erarbeitet habe. Danke an uns alle und an das Change-is-immer-Team!

Karin Brugger (freier Guide im Zeppelin Museum)

Eine Gruppe Schüler*innen in der Dauerausstellung des Zeppelin Museums vor einer Vitrine mit Luftschiffmodellen.

Mir hat der Workshop allem voran noch einmal bewusst gemacht, wie groß die Verantwortung ist, die wir als Guides gegenüber den Museumsbesucher*innen tragen. Manche der Zuhörenden werden vielleicht zum ersten Mal in ihrem Leben mit komplexen Themen der Zeppelingeschichte oder der Provenienzforschung konfrontiert. Je nachdem wie differenziert, aus welchen Perspektiven und mit welchem Schwerpunkt wir als Guides den Besucher*innen diese Inhalte vermitteln, so entscheidet sich, was diese jeweils für sich persönlich mitnehmen.

Laura Jäger (freier Guide im Zeppelin Museum)


Mir wurde wieder einmal bewusst, was für ein Mehrwert und welche Bereicherung es ist, die eigene Arbeit durch die Augen anderer betrachten zu lassen, sich Feedback einzuholen und die eigenen Aussagen nochmal von anderen reflektieren zu lassen und somit selbst zu überdenken.

Antje Mayer (wiss. Mitarbeiterin Abteilund Diskurs & Öffentlichkeit)

Rückansicht eines Gemäldes.
Ausstellungsansicht „Eigentum verpflichtet. Eine Kunstsammlung auf dem Prüfstand“

„Diversität“ – bei uns in Deutschland ein fortwährendes, nie endendes Thema. So empfand ich das und ich hatte wenig Lust an so einer Fortbildung mitzumachen, zumal ich 30 Jahre in Entwicklungsländern mit unzähligen „diversen“ Kulturen zu tun hatte, wie ich es auch in meiner jetzigen Arbeit mit vielen Nationalitäten zu tun habe. Daher hatte ich, meines Erachtens, so einen Workshop nicht nötig.
Bis mich meine Kollegin Brigitte anrief und mir „Diversität“ schmackhaft machte, indem sie die verschiedenen Blickwinkel außerhalb sexueller Orientierung und Rassismus im Kontext von Kunst im Zeppelin Museum und sogar Themen wie Zwangs- und Fremdarbeit, das im Museum in einem Ausstellungsraum behandelt wird, ansprach.
Da war mein Interesse geweckt. Seit zehn Jahren bin ich Guide am Zeppelin Museum. Nach vielen Jahren Ausland war das Thema Zeppelin ein Stück Heimatkunde, das ich wieder erobern durfte. Mit Stolz präsentiere ich die Luftschiffgeschichte und freue mich an den aufgeweckten Reaktionen der Museumsbesucher*innen.
Die Zeppelingeschichte ist umfangreich und die 90 Minuten Führungszeit genügen kaum, um unseren „roten Faden“ durchs Museum zu ziehen und Haupteindrücke zu geben. Im Zeppelin Museum kann jeder Guide seine Prioritäten selbst setzen. Auf diese Art kann man das Museum oft besuchen und viele verschiedene Blickwinkel bekommen.
Bei der Fortbildung wurde mir sehr bewusst, dass einige Ecken, die ich generell auslasse, wichtig waren und ich doch meine Tour einmal ändern könnte. Eines davon ist das Thema „Zwangsarbeit“. Dieses Thema wurde in unserer Kleingruppe ausführlich diskutiert. Die Meinungen der Kolleg*innen zu hören, war interessant und hat mich motiviert meine Standardführung auszubauen.
Die Diskussion und die Runde durch die Kunstabteilung in unseren Kleingruppen waren ebenfalls bereichernd. Etwa wie man Gäste ihre eigenen Schlüsse über die Kunstwerke ziehen lassen kann. Wie einzigartig es ist, dass man tatsächlich im Zeppelin Museum die Gemälde von hinten sehen kann. Auf welche Materialien die Bilder gemalt wurden und wie die Herkunft der Bilder in einem Ampelsystem dargestellt ist, sodass man die Provenienz bis zum Ursprung zurückverfolgen kann.
Außer den vielfältigen Inhalten der Fortbildung war es schön, mit allen Kolleg*innen an gemeinsamen Projekten zu arbeiten. So bekam man viele neue Impulse und eine neue Inspiration das Museum und seinen einzigartigen Charakter an die vielen Besucher*innen weiterzugeben. 
Ich freue mich auf die nächste Fortbildung.

Manuela (freier Guide im Zeppelin Museum)

Ausstellungsansicht des Bereichs der Industriegeschichte mit Vitrinen zu Zwangs- und Fremdarbeiter*innen.
Ausstellungsansicht des Bereichs der Industriegeschichte mit Vitrinen zu Zwangs- und Fremdarbeiter*innen

Im zweiten Teil des Diversity-Workshops ging es vor allem um Multiperspektivität, denn wie wir im  Workshop mit Handan Kaymak im Februar gelernt haben, ist die Geschichte nie eindimensional. Das hat uns auch die Rede von Chimamanda Ngozi Adichie „The danger of a single story“ sehr eindrücklich gezeigt, die wir uns zu Beginn des Workshops noch einmal anhörten. Daran anknüpfend haben wir an diesem Tag in der großen Runde und immer wieder auch in Kleingruppen die Zeppelingeschichte und die Kunstausstellung des Museums aus verschiedenen Perspektiven betrachtet und „Werkzeuge“ für unsere Arbeit im Museum erarbeitet.
Wir haben uns überlegt, wie wir kritische Impulse in unsere Führungen einbauen können, wie wir mehr als nur eine Perspektive erzählen können, wo es noch „blinde Flecken“ gibt und wie sich Diversity in Führungen zeigt.
Kritische Themen gibt es im Museum einige, z.B. die Darstellung des Ersten Weltkrieges in der Dauerausstellung des Zeppelin Museums, die Rüstungsindustrie in Friedrichshafen und im Zeppelin Konzern, die Zwangs- und Fremdarbeiter*innen oder der Umgang mit NS-Symbolen im Zeppelin Museum. „Blinde Flecken“ haben wir auch ausgemacht, z.B. fanden wir, dass das Thema Zwangs- und Fremdarbeiter*innen nicht ausführlich genug behandelt wird und dass Werke von Frauen im Museum unterrepräsentiert sind.
Die Kunstpräsentation „Eigentum verpflichtet“ ist ein gutes Beispiel dafür, wie das Zeppelin Museum mit dem Thema Raubkunst, also der unrechtmäßigen Aneignung von Kulturgütern, umgeht und gibt den Besucher*innen mit der Kennzeichnung der Werke nach einem Ampelsystem und der Ansicht der Rückseiten gute Mittel an die Hand, die Ausstellung selbst zu erkunden. Eines der Gemälde von Otto Dix aus dem Jahre 1923, das den Titel „Die N******“ trägt und unzweifelhaft eine sexistische und rassistische Darstellung einer dunkelhäutigen Frau ist, haben wir sehr kritisch betrachtet. Der einfachste Weg wäre, das Gemälde abzuhängen und ins Depot zu verbannen. Das ist nicht der Weg, den das Museum gehen will, aber es ist wichtig, an dieser Stelle mehr Informationen über den Künstler, sein Verhältnis zu Frauen, die Zeit, in der er das Werk erschaffen hat und die Namensgebung zu liefern.

Fazit: Wir wollen und sollen kritische und sensible Themen nicht aussparen, sondern sie offensiv ansprechen, in den zeitlichen Kontext einbauen und reflektiert, souverän und bewusst damit umgehen. Wir wollen die Besucher*innen anregen, sich zu diesen Themen selbst eine Meinung zu bilden. Dafür haben wir in diesem eintägigen Workshop auf sehr spannende und kurzweilige Art und Weise Werkzeuge erarbeitet und gelernt, dass es nicht nur auf unsere Wortwahl ankommt, sondern auch wie wir unsere Ausstellungen und Führungen gestalten und wie wir mit den Besucher*innen umgehen (Beispiel: gendergerechte Sprache). Ein Teilnehmer des Workshops hat es sehr treffend zusammengefasst: You have to choose your words carefully!

Sonja Hess (freier Guide im Zeppelin Museum)

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