Expedition ins Eis

Die Arktisfahrt des LZ 127 „Graf Zeppelin“

Das Luftschiff LZ 127 „Graf Zeppelin“ fuhr im Juli 1931 in die eisige Arktis. Starttag war der 24. Juli. Die Ziele der Reise waren die wissenschaftliche Wetterbeobachtung und die geografische Erforschung der Polarregion mittels Fotografien aus der Luft, Magnetfeldmessungen, die Entsendung eines Wetterballons und das Testen des Zeppelins unter arktischen Bedingungen.

Diese Fahrt knüpfte an eine Idee des Grafen von Zeppelin an, der schon Ende des 19. Jahrhunderts propagierte, die Arktis mithilfe von Luftschiffen zu untersuchen. Erste Schritte zur Umsetzung dieser Idee unternahm er im Jahre 1910, als er gemeinsam mit dem Meteorologen Hugo Hergesell in die Arktis reiste – allerdings noch ohne Luftschiff, sondern mit einer Schiffsexpedition.

Ein Resultat dieser Reise war, dass er Luftschiffe in technischer Hinsicht grundsätzlich für Polarforschungsreisen als tauglich erachtete, seine eigenen aber noch nicht in der Lage waren, die Entfernung von der Nordseeküste nach Spitzbergen zurückzulegen, von wo aus die wissenschaftlichen Forschungsfahrten starten sollten. Dies war erst nach dem durch den Ersten Weltkrieg verursachten Technologieschub im Luftschiffbau möglich.

Reisevorbereitungen

Vor der Expedition von 1931 waren aber noch zahlreiche Vorbereitungen notwendig, wie z. B. das Üben von Wasserlandungen auf dem Bodensee. Eine Unterstützung mit Geldmitteln der Reichsregierung war nicht zu erwarten, deshalb wurde das Unternehmen hauptsächlich durch den Transport von Luftpost finanziert. Rund 50.000 Postsendungen von Sammlerinnen und Sammlern aus aller Welt, die etwa 300 kg wogen, wurden mitgenommen. Allein der Briefmarkenverkauf deckte die wichtigsten Kosten der Expedition.

LZ 127 beim Üben einer Wasserlandung auf dem Bodensee

Luftschiffkapitän Hans von Schiller schrieb in seinen Erinnerungen über einen Leichtbrief, der auf eine Idee Hugo Eckeners zurückging. Eckener hatte 1924 den Berliner Papierfabrikanten Max Krause kennengelernt und ihn gefragt, ob er in der Lage sei, einen Leichtbrief mit zwei Bögen Papier, Umschlag, Druckerschwärze und Briefmarke mit einem Gewicht von maximal 5g zu produzieren. Dieser Leichtbrief war inzwischen auf dem Markt. „Wir nahmen 4 Mark Porto für den Brief mit Sonderstempel, die Post erhielt den üblichen Satz von 20 Pfennig,“ erinnerte sich Hans von Schiller.

Postbeleg: Sammlerpost mit Sonderbriefmarke und Sonderpoststempel zur Arktisfahrt

Der Ullstein-Verlag erwarb die Exklusivrechte für die journalistische Berichterstattung und es gab zahlreiche Sach- und Geldspenden. Es wurden auch Werberechte vergeben, zum Beispiel an den Treibstofflieferanten DEROP.
Das restliche Geld kam von der Internationalen Studiengesellschaft zur Erforschung der Arktis mit Luftfahrzeugen (Aeroarctic), deren Präsident Hugo Eckener war.

Werbeanzeige des Betriebsstofflieferanten DEROP. Durch die Vergabe von Werberechten wurde ein Teil der Fahrtkosten gedeckt

Damit die Messgeräte und die knapp fünf Tonnen schwere Arktisausrüstung im Luftschiff Platz fanden, wurde vor der Fahrt unnötiger Ballast entfernt. Beispielsweise wurden Betten, Waschräume und Mobiliar der Passagierräume ausgebaut. Die Kabinentüren wurden durch Vorhänge ersetzt, die Stühle durch Aluminiumhocker und das Bordporzellan durch Pappgeschirr. Allein der Ausbau des Küchenschrankes sparte 60 kg ein. Außerdem wurde auf zwei komplette Besatzungs-Aufenthaltsräume, den Mannschaftswaschraum, den Heißwasserspeicher und den Spültisch verzichtet. Stattdessen wurde eine Doppelkamera der Firma Zeiss mit 100 kg sowie in Kabine 1 die neunlinsige Spezialkamera der Münchner Firma Photogrammetrie GmbH mit 50 kg in den Fußboden eingebaut. Diese Kamera war speziell für die Arktisfahrt entwickelt worden und konnte extreme Weitwinkelaufnahmen machen. Der Passagierwaschraum wurde zur Dunkelkammer umfunktioniert.

Aufnahme einer Arktislandschaft mit der neunlinsigen Spezialkamera von C. Aschennbrenner

Im Fall einer Notlandung sollten die Expeditionsteilnehmer in Viererzelten schlafen. Jedes Zelt hatte einen Benzinkocher und Geschirr, Rentierfellschlafsäcke und Wolldecken. Außerdem wurde Arktiskleidung und Nähausrüstung bereitgestellt.

Notfallausrüstung bereit zum Verladen in das Luftschiff

Hans von Schiller über weitere Vorbereitungen: „Als Grundnahrungsmittel wurde ‚Pemmikan‘ [Anm.: Mischung aus Dörrfleisch und Fett], die bewährte Polarnahrung, mitgenommen. Um der Verpflegung Frischfleisch und Fische zusetzen zu können, nahm man auch Jagdwaffen und Angelgerät mit. Zehn Schlitten (…) waren zum Verlegen des Standortes vorgesehen. Auch zwei Klepperboote [Anm.: Faltboote] wurden mitgeführt. Mit ihnen wollte man Wasserläufe überwinden. Die Polarausrüstung für alle hatte ein Gewicht von fast 15 Tonnen und hätte bei einem unfreiwilligen Aufenthalt für eine Versorgung bis zu mehr als einem Jahr ausgereicht.“

Notfallausrüstung bereit zum Verladen in das Luftschiff

Die Notfallausrüstung enthielt zudem 13 weitere Schlitten, zwölf rote Zelte, Schneeschaufeln, Werkzeug, ein transportables Funkgerät, zwei Hand-Harpunen, vier Schlauchboote, wasserdichte Overalls, Windlaternen, unterschiedliche Waffen und Munition, Lassos zum Eisbärenfang, Schneeschuhe, zwei Paar Skier mit Skistöcken, sogar frostsichere Füllfederhalter und zwölf Kochkisten mit Benzinkochern, Benzinkanistern und Streichhölzern sowie 69 Säcke mit Notproviant wie beispielsweise Schiffszwieback oder getrockneter Fisch. Ursprünglich sollten auch noch Schlittenhunde mitfahren, die aber wieder von der Liste gestrichen wurden.

Auf nach Norden!

Hugo Eckener persönlich übernahm das Kommando der Fahrt. 44 Personen waren an Bord des LZ 127 „Graf Zeppelin“, als die Fahrt am 24. Juli 1931 um 9 Uhr morgens in Friedrichshafen begann. Von der Stammbesatzung waren 30 Männer dabei. Verzichtet wurde auf fünf Maschinisten, einen Fahrmeister, einen Steuermann, einen Bordelektriker, einen Steward und den Koch. Lediglich der Steward Heinrich Kubis sollte an Bord für ein Mindestmaß an Komfort sorgen und wurde auch als Koch eingesetzt. Besatzungsmitglieder, die gerade nicht zum Fahrdienst oder zu wissenschaftlichen Beobachtungen eingeteilt waren, mussten Kubis in der Küche helfen. Bei den Funkern ersetzte man einen durch den Russen Krenkel, der für die Kommunikation mit den sowjetischen Funkstationen benötigt wurde.

Eines der roten Zelte wurde aufgebaut und zum Postamt umfunktioniert. Darin saßen zwei Besatzungsmitglieder und versahen die Luftpost mit dem eigens für die Arktisfahrt angefertigten Sonderstempel. Schließlich war die Post die Haupteinnahmequelle zur Finanzierung der Expedition.

Die Luftschiffbesatzung in Arktiskleidung mit Hugo Eckener im dunklen Anzug

Das Forschungsteam bestand aus fünf Deutschen, einem Amerikaner und einem Schweden. Zwei Russen, darunter der wissenschaftliche Expeditionsleiter Prof. Rudolf Samoilowitsch, würden erst in Leningrad zusteigen. Samoilowitsch war Polarforscher und Direktor des Arktischen Institutes in Leningrad. Er machte die Reise als Vorsitzender des Forschungsrats der Aeroarctic und Mitglied der geographischen Kommission mit. Der zweite russische Forscher war Professor Pavel Moltschanow, Direktor des Aerologischen Observatoriums in Sluzk bei Leningrad, den die Aeroarctic als Mitglied der aerologisch-meteorologischen Kommission entsandte. Von deutscher Seite aus war der Meteorologe Prof. Ludwig Weickmann, Direktor des Geophysikalischen Instituts der Universität Leipzig, der Physiker Prof. August Karolus aus Leipzig, die beiden Fotografen Dr.-Ing. C. Aschenbrenner und Dipl.-Ing. W. Basse sowie der Südpolforscher und Expeditionsarzt Dr. med. Ludwig Kohl-Larsen aus Allensbach mit an Bord.

Weickmann und Moltschanow wollten die meteorologischen Messungen machen, Basse beaufsichtigte die Zeiss-Reihenbildkamera, Aschenbrenner fotografierte mit der neunlinsigen Kamera, Kohl-Larsen war als Mitglied der biologischen Kommission für Tierbeobachtungen und zur Unterstützung der Eisbeobachtung dabei. Im Notfall wäre auch sein medizinisches Wissen gefragt. Welche Funktion Karolus bei der Expedition innehatte, geht aus den Akten nicht hervor.

Für die Vereinigten Staaten reiste Commander Edward H. Smith der U.S. Navy mit, der das Eis beobachtete. Unterstützt wurde er von seinem Landsmann Lincoln Ellsworth, der ihm bei den magnetischen Beobachtungen half. Für Schweden war Dr. Gustav S. Ljungdahl aus Stockholm mit von der Partie. Er kümmerte sich um die erdmagnetischen Versuche.

Neben den Wissenschaftlern waren ebenfalls an Bord: Dipl.-Ing. Assberg, russischer Luftfahrtingenieur und Luftschiffer sowie Abteilungsvorsteher des Aeromechanischen Instituts in Moskau, Walter Bruns, der Generalsekretär der Aeroarctic und die Pressevertreter für den Ullstein-Verlag, der Journalist Arthur Koestler und der Fotograf Walter Bosshard. Filmaufnahmen für Paramount machte der Kameramann Rolf Hartmann.

Commander Smith, Professor Samoilowitsch und Lincolln Ellsworth

Die erste Etappe von Friedrichshafen nach Berlin verlief vollkommen problemlos. Die Hauptstadt wurde gegen 16 Uhr erreicht und das Luftschiff kreuzte noch etwa zwei Stunden über Berlin, da man wegen der Nachmittagshitze und der dadurch verursachten Böen nicht landen wollte. Die Arktisfahrer wurden mit frenetischem Jubel begrüßt.

Kapitän Hans von Schiller in seinem Buch „Zeppelin“: „In Berlin machten wir am Ankermast von Staaken fest, um die letzten Teile der Polarausrüstung an Bord zu nehmen. In der Annahme, daß wir für unsere Expedition auch Polarhunde mitnähmen, hatte ein Spaßvogel neben dem Ankermast einen Pfahl eingeschlagen, der eine Tafel mit den Worten ‚Nur für Polarhunde‘ trug.“

LZ 127 am Stummelmast in Leningrad beim Aufnehmen von Treibstoff und Gas

Auf dem Staakener Luftschiffhafen konnte der Zeppelin die ganze Nacht über besichtigt werden und die Eintrittsgelder teilten sich der Berliner Magistrat und die Luftschiffbau Zeppelin GmbH. Der Ullstein-Journalist Arthur Koestler analysierte die Zeppelinbegeisterung wie folgt: „Freudianer haben den mehrere Jahre dauernden Zeppelinrummel des deutschen Volkes damit erklärt, daß der Zeppelin ein phallisches Symbol darstelle; Anhänger Adlers sahen in ihm die Überkompensation eines nationalen Minderwertigkeitskomplexes; und vom marxistischen Standpunkt aus war er ein ideologischer Überbau, ein Himmelskuchen, eine raffinierte Ablenkung vom Klassenkampf.“

Am 25. Juli wurde morgens um 4.30 Uhr gestartet und der Zeppelin fuhr von Berlin über Königsberg, Riga, Reval und Helsinki nach Leningrad, das er abends um 18.30 Uhr erreichte. Kaum hatte das Luftschiff die Grenze zur Sowjetunion passiert, wurde es von fünf russischen Militärflugzeugen empfangen, die bis nach Leningrad mitflogen und, so Arthur Koestler: „mit Loopings und sonstigen Kapriolen um uns herumturnten wie ausgelassene Delphine um einen Wal.“

Auf einem Flugplatz hatte man für die „Übernachtung“ des Luftschiffes einen kurzen Landefuß einbetoniert, der die vordere Gondel des Schiffes am Boden hielt. Die Passagiere wurden in Russland überaus freundlich aufgenommen und erhielten neben zahlreichen Reden, Trinksprüchen und reichlich Wodka ein feudales Festessen. Laut Arthur Koestler gab es sechs verschiedene Sorten Kaviar, „den man mit Holzlöffeln aß, als wäre er eine Erbsensuppe.“

Man feierte lange und ausgelassen. LZ 127 „Graf Zeppelin“ wurde die halbe Nacht über mit Benzin und Wasserstoff betankt.

FORTSETZUNG: Die eigentliche Arktisfahrt beginnt …

Aus dem Archiv:

Neunlinsige Spezialkamera 

Als sich das Luftschiff „Graf Zeppelin“ 1931 auf die Expedition in die Arktis begab, war im Boden des Gefährtes eine neunlinsige Panoramakamera eingebaut. Die Kamera war eine Erfindung des Ingenieurs Claus Aschenbrenner, wurde von der Photogrammetrie GmbH (München) konstruiert und in den Optischen Werken Steinheil (München) gebaut. Insgesamt wurden nur zwei Exemplare dieser Kamera hergestellt. Eine Besonderheit des Gerätes war die Möglichkeit extrem weitwinklige Aufnahmen zu machen. Außerdem konnten Uhrzeit, Flughöhe, Neigungswinkel und Bildnummer automatisch erfasst werden. Anhand der Logbucheintragungen waren so die Positionen aller Aufnahmen bekannt. Das Weitwinkelbild war in neun Teilbilder aufgeteilt und konnte somit später mit einem eigens hierfür konstruierten „Umbildgerät“ automatisch zu einem Gesamtbild zusammengesetzt werden. Abschließend wurden noch die Trennlinien wegretuschiert. Auf der Basis dieser Aufnahmen wurden dann exakte Landkarten mit Höhenschichtlinien angefertigt. Die Kamera wurde vom Freundeskreis zur Förderung des Zeppelin Museums e.V. angekauft und befindet sich in der Sammlung des Museums.

Quelle: alle Fotos Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

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