Das Zeppelin Museum ist allein durch seine unmittelbare Lage am Bodensee eng mit dem Wasser verbunden. Der Eingang befindet sich in direkter Sichtweite der Anleger von Fähre und Katamaran. Was man nicht sieht, sind die etwa ein Dutzend Inseln. Von ihnen ist nicht einmal die Hälfte bewohnt, autonom von einem der Anrainerstaaten ist keine einzige. Siedeln auf dem Wasser ist aber bis heute ein durchaus relevantes Thema, das sich in Geschichte und Kunst wiederfindet.
Seit dem 05.02.2021 zeigt das Zeppelin Museum die interdisziplinäre Ausstellung Beyond States. Über die Grenzen von Staatlichkeit. Hier ist auch die Videoarbeit The Seasteaders von Jacob Hurwitz-Goodman & Daniel Keller aus dem Jahr 2018 zu sehen.
Im Zentrum des Videos steht das Seasteading Institute. Seit 2008 hat es sich zum Ziel gesetzt, autonome Gemeinschaften auf schwimmenden Plattformen in internationalen Gewässern zu errichten. Propagiert wird eine neue Form der Besiedlung (Seenahme statt Landnahme), die sich vermeintlich mithilfe technologischer Innovationen aktuellen Klimaherausforderungen widmet. 2017 wurde nach einem Seasteaders-Kongress in Französisch-Polynesien der Bau eines Insel-Prototyps genehmigt, später wurde diese Zusage widerrufen.
Über ihre Arbeit und die Seasteaders haben wir mit den beiden Filmemachern gesprochen:
Die Idee klingt erst mal gut: Technisch innovativ, dem Klimawandel angepasst, eine freie Gesellschaft, und wenn es einem nicht mehr gefällt, wechselt man einfach zu einem anderen Mikrostaat. Wortwörtlich fluide Staatsbürgerschaft also. Die Idee des Seasteading geht aber auch aus einer ablehnenden Haltung gegenüber dem „klassischen“ Staat hervor. Dieser sei laut den Seasteaders innovationsfeindlich und würde nur Steuern eintreiben. Auch bleiben viele Fragen ungeklärt: Wie funktioniert ein Staat ohne Steuern? Wer kann sich das überhaupt leisten? Und was für eine Gesellschaft entsteht dabei? Falls ihr dazu Ideen und Antworten habt, schreibt sie ins debatorial®!
Die Utopie eines souveränen Staates auf dem Wasser war auch der Antrieb für ein Kunstprojekt auf dem Bodensee:
Wegen eines Sturms musste der Stapellauf allerdings verschoben werden. So bleibt die Idee wohl erst einmal mehr oder weniger Fantasie.
Das aber aus der Fantasie auch weltbewegende Ideen und Innovationen werden können, hat auch schon der Bodensee gesehen. Hier wurden die Luftschiffe gebaut, die später sogar die Ozeane überqueren würden. Davor war aber der See ganz entscheidend. Darüber stiegen nicht nur die ersten Zeppeline auf, auf ihm fanden sie auch Schutz.
Schon in ihrer ersten Studie von 1894 favorisierten Graf Zeppelin und sein Mitarbeiter Theodor Kober den Bau des Zeppelins in einer Schwimmhalle auf einem See. Die Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt errichtete 1899 in der Bucht von Manzell bei Friedrichshafen eine schwimmende Halle, in der der erste Zeppelin montiert wurde. Die erste Halle in der Manzeller Bucht war 142 m lang, 23 m breit und hoch, an ihrem geschlossenem Ende im Seegrund verankert, drehte sich selbstständig in den Wind und erleichterte so das Ein- und Aushallen des auf einem Floß verankerten Luftschiffs. Sie wurde 1904 als feste Halle am Ufer neu aufgebaut. 1907 konnte eine neue Schwimmhalle mit Reichsgeldern finanziert werden. Bis zum Umzug der Werft auf das heutige Zeppelin-Gelände im Jahr 1910 wurden in Manzell sechs Luftschiffe gebaut.
Die schwimmende Halle in Manzell war sicherlich Ausgangspunkt vieler Fantasiereisen: Menschen kamen, um den Start und die Landung von Zeppelinen zu beobachten, waren begeistert, wenn sie den Zeppelin über dem See sahen. Auch wenn sie selbst nie mit dem Zeppelin fahren würden, flogen sie im Kopf immer mit. Und träumten dabei möglicherweise sogar von autonomen Inseln…
„Fantasiereisen“ ist ein Kooperationsprojekt von:
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