HEUTE VOR 110 JAHREN, am 30. März 1911, fuhr LZ 8, die sogenannte „Ersatz-Deutschland“ oder auch „Deutschland II“, zum ersten Mal. Doch das „Leben“ dieses Luftschiffs war nur von kurzer Dauer, denn schon nach wenigen Fahrten kam es zu einem Unglück.
LZ 8 war das dritte Schiff der DELAG, der Deutschen Luftschiffahrts-Aktiengesellschaft. Gegründet wurde die DELAG hauptsächlich durch Alfred Colsman. Dieser war Geschäftsführer der Luftschiffbau Zeppelin GmbH. Ebenso war der Frankfurter Oberbürgermeister Franz Adickes beteiligt. Das Gründungskapital betrug drei Millionen Mark.

Im Jahr 1910 sollten mit dem Luftschiff LZ 7 „Deutschland“ die Fahrten von Frankfurt nach Baden-Oos und Düsseldorf aufgenommen werden.
Wie Hugo Eckener, damals Fahrtenleiter der DELAG, in seinen Erinnerungen schrieb, hatte diese übrigens erste Luftfahrt-Gesellschaft der Welt die Aufgaben: „Luftschiffe zu bestellen und in Betrieb zu nehmen und damit die Eignung derselben im praktischen Dienst zu erweisen. Letzteres schien angesichts der vielen Katastrophen, von denen die Schiffe betroffen worden waren, in der Tat sehr notwendig zu sein. Es ist fast verwunderlich, daß diese Gründung gelang.“
Die ersten DELAG-Luftschiffe
Das erste DELAG-Schiff war LZ 7 „Deutschland“. Dieses Schiff war im Juni 1910 im Teutoburger Wald gestrandet, die Passagiere konnten unbeschadet das Schiff verlassen, das allerdings direkt vor Ort abgewrackt werden musste.

Hugo Eckener: „Ein Ersatzschiff wurde in Dienst gestellt; aber wer sollte es führen, nachdem der Führer der ‚Deutschland‘ wegen seines Pechs als nicht geeignet entlassen war? Herr Colsman fragte mich, ob ich es riskieren wollte. Natürlich mußte ich ja sagen, denn ich hatte doch immer die Verwendbarkeit des Zeppelin-Schiffes behauptet. So wurde ich ‚Fahrtenleiter‘ und Luftschiffkapitän bei der Delag.“
LZ 6, geplant und gebaut als Heeresluftschiff, dann aber als Versuchsluftschiff verwendet, wurde zum Passagierluftschiff für die DELAG umgebaut und trat an die Stelle von LZ 7. Nach einigen Probefahrten wurde LZ 6 nach Baden-Oos überführt, wo es nach einigen Passagierfahrten in der Halle bei Wartungsarbeiten verbrannte.

Deutschland II
Als nächstes DELAG-Schiff wurde LZ 8 gebaut. Es hatte seine Erstfahrt am 30. März 1911
Für Alfred Colsman war LZ 8 das zweite DELAG-Schiff, er hat LZ 6 erst später erwähnt und die Reihenfolge verdreht. Colsman schrieb in seinem Buch „Luftschiff voraus!“: „Als ich dem Grafen mitteilte, daß das zweite Delag-Schiff unter Eckeners Führung gestellt werden solle, hat er nicht widersprochen, aber auch nicht zugestimmt. Dies zweite Schiff, eine genaue Kopie des vorausgegangenen, wurde unglücklicherweise auch ‚Deutschland‘ genannt. In der Marine herrscht der Aberglaube, daß ein zweites Schiff, welches den Namen eines verlorengegangenen Schiffes trägt, kein Glück habe. Diese ‚Deutschland‘ wurde in der Tat kein glückhaftes Schiff.“
Doch zunächst sollte die „Deutschland II“ 24 Fahrten absolvieren, mit insgesamt fast 460 Passagieren, wobei nur 129 davon zahlende Fahrgäste waren.
Alfred Colsman weiter: „Die Halle oder vielmehr der Platz in Düsseldorf, auf dem der Wind hin und her sprang, sind dem Schiff zum Verhängnis geworden. Nachdem erstmals beim Ausbringen der zweiten ‚Deutschland‘ aus der Halle in Düsseldorf ein Steuer verletzt wurde, zerbrach das Schiff bald darauf am 16. Mai 1911 an der gegen Seitenwinde bei der Halle errichteten Schutzwand. – Durch den Verlust dieser beiden Schiffe und den des Militärluftschiffe Z II bei Weilburg hatte das Ansehen der Luftschiffahrt harte Schläge erlitten; der Glaube an die Zukunft der Zeppelin-Luftschiffe war im Schwinden.

Das ‚Seeblatt‘ in Friedrichshafen schrieb nach dem Düsseldorfer Unfall, der allgemeinen Entrüstung im Städtchen Ausdruck gebend: ‚Wie konnte man auch einem Laien ein Luftschiff anvertrauen.‘“
Der zu diesem Zeitpunkt vom „Seeblatt“ noch als Laie bezeichnete Hugo Eckener erwähnte dieses Unglück in seinen Erinnerungen: „Einmal, gleich zu Anfang meiner Tätigkeit als Luftschifführer, habe ich mich mit Rücksicht auf eine besonders große Zuschauermenge und auf eine vollbesetzte Kabine mit einflußreichen, für uns wichtigen Fahrgästen dazu verführen lassen, eine Ausfahrt aus der Halle bei ungünstiger Windrichtung zu riskieren. Ich bezahlte meine Charakterschwäche mit einer so starken Beschädigung des Schiffes, daß eine Reparatur einem Neubau gleichgekommen wäre, und war seitdem gegen solche Anwandlungen gefeit.“
Im Unfallbericht vom 16. Mai 1911 schrieb Eckener von der ersten starken Windböe, die plötzlich aufkam, als das Schiff schon zu Dreivierteln ausgehallt war. Zu diesem Zeitpunkt waren etwa 95 Personen in der Haltemannschaft. Sofort wurde das Publikum zu Hilfe gerufen, „und es kamen nach und nach wenigsten 150 Personen, meist junge kräftige Leute, diesem Rufe nach. An ein Vor- oder Zurückbringen war in diesem Augenblick nicht zu denken. Es schien aber als wenn man das Schiff jetzt wenigstens halten könne bis die Böe vorüber war. Da aber setzte diese von neuem im verstärktem Maße ein und es wurde das Schiff jetzt unaufhaltsam während es sich ganz auf die Seite legte, oder in die Höhe gerissen wurden, gegen Halle und Wand gedrängt. Die 250 – 300 Personen wurden widerstandslos über den Sand nachgeschleift und es rissen nach einander 3 Halteseile, an denen je 30 – 40 Personen angepackt hatten. Im letzten Moment versuchte man das Hinterende des Luftschiffs hoch gehen zu lassen, um über die Wand und Halle hinweg zu kommen; der Raum langte aber nicht dafür und so blieb das Hinterende zunächst an dem Wandende hängen worauf auch das Vorderende auf das Hallendach getrieben wurde. Das Luftschiff wurde so stark beschädigt, daß das Gerippe völlig demoliert werden muss. Die Bergung der Passagiere aus der hoch schwebenden Kabine gelang ohne Unfall. Die Ursache des Vorfalls ist in einer elementaren Gewalt zu suchen und es trifft Niemanden die geringste Schuld, es sei denn, daß man das Heraus- und Hereinbringen des Schiffes aus der sehr ungünstigen gelegenen und schmalen Düsseldorfer Halle überhaupt verurteilt.“
Da die Gondel mit den Passagieren direkt unter dem Hallendach hing, gestaltete sich die Bergung der Fahrgäste gar nicht so einfach. Marie Druckrey, die Sekretärin Alfred Colsmans, schrieb in ihren Erinnerungen: „Einige Zeit später verunglückte die Deutschland 8 auf dem Hallendach in Düsseldorf durch großen Sturm. Im Schiff fuhr eine vollkommen gelähmte Dame, Tochter eines Aktionärs der Deutschen Luftschiffahrts-AG mit, die von Dr. Eckener über 3 lange Feuerwehrleitern heruntergeholt wurde, weil die Passagierkabine hoch in der Luft schwebte.“
Resonanz auf das Unglück
Nicht nur das „Seeblatt“ in Friedrichshafen schrieb über das Unglück, sondern es wurde deutschlandweit berichtet. Beispielsweise stand in der Zeitschrift „Rhein und Düssel“, der „Illustrierten Sonntagsbeilage der Düsseldorfer Neuesten Nachrichten“: „Schon wieder ist der Verlust eines stolzen Reise-Luftschiffes zu beklagen, nachdem kaum ein Jahr dahingegangen ist, daß die erste ‚Deutschland‘ im Teutoburger Wald strandete. Ganz unerwartet ist das Unglück gekommen, denn die Wetteraussichten ließen auf eine glückliche Fahrt schließen. (…) Wenn auch die Frage bezüglich der Ursache der Katastrophe schwer zu beantworten bleibt, so sind doch beim verhängnisvollen Aufstieg unglückliche Zufälle eingetreten, wie plötzliche Windstöße von der Seite (…). Wenn sich auch das Bedienungspersonal nach Kräften bemühte, das Luftschiff zu halten, so waren die Windstöße doch derart heftig, daß die Halteseile mehrmals zerrissen, den vorderen Teil des Luftschiffes gegen die Halle drehten und die Spitze des Luftschiffes über das vordere Dach der Halle hinwegwarfen, so daß der Riesenbau zweimal eingeknickt wurde. Zum Glück vermochten sich die Passagiere und Mannschaften in Sicherheit zu bringen.“
In einem Telegramm an den Grafen Zeppelin hieß es kurz, aber dramatisch: „nicht das system des schiffs sondern hoehere gewalt war schuld an dem harten schlag der uns das vertrauen nicht rauben soll besten gruss = geheimrat schiess“
Geheimrat Ernst Schiess war Ingenieur und Unternehmer, Mitglied im Aufsichtsrat der DELAG, langjähriger Düsseldorfer Stadtverordneter, Vorsitzender der Handelskammer zu Düsseldorf und Gründer des Vereins Deutscher Werkzeugmaschinenfabriken.
Die DELAG befand sich nun in einer schwierigen Situation, die Kapitän Hans von Schiller folgendermaßen beschrieb: „Sie hatte in kurzer Frist drei Schiffe verloren, so dass die Versicherungsgesellschaften zögerten, eine weitere Versicherung abzuschließen. Wenn es Direktor Colsman auch gelungen war, die organisatorischen Vorbedingungen für den Zeppelinluftverkehr zu schaffen, so hatte sich doch gezeigt, dass dieser noch nicht zuverlässig genug durchgeführt werden konnte. Dafür war die Leistung der Luftschiffe zu schwach.“

LZ 8 in Zahlen:
24 Fahrten
Fahrtlänge in Kilometer: 2379
Fahrtdauer insgesamt in Stunden: 47,00
Anzahl der beförderten Personen:
Zahlend: 129
Gesamt: 458 einschließlich Ausbildungspersonal
Gebaut in Friedrichshafen
Typ e
148m lang
größter Durchmesser: 14 m
18 Gaszellen
19300 Kubikmeter Traggas-Volumen
statische Steighöhe: 1800m
3 Daimler-Motoren
PS pro Motor / Gesamt-PS: 120 / 360
max. Geschwindigkeit: 36 km/h
Reichweite: 1600 km
4 Propeller
2 Gondeln
Quellen:
Akten aus dem Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH
Alfred Colsman: Luftschiff voraus! Deutsche Verlags-Anstalt, 1933
Hugo Eckener: Im Zeppelin über Länder und Meere, morisel Verlag, München, 2012
Hans von Schiller: Zeppelin – Aufbruch ins 20. Jahrhundert, Kirschbaum Verlag, Bonn, 1988
Es heisst: Die DELAG befand sich nun in einer schwierigen Situation: „Sie hatte in kurzer Frist drei Schiffe verloren, so dass die Versicherungsgesellschaften zögerten, eine weitere Versicherung abzuschließen. ….
Wenn es Direktor gelungen war, die organisatorischen Vorbedingungen zu schaffen, so hatte sich doch gezeigt, dass dieser noch nicht zuverlässig genug durchgeführt werden konnte.
Kommentar:
„Dafür war die Leistung der Luftschiffe zu schwach“ beziehungsweise besser ausgedrückt:
Die Anforderungen der Luftfahrt waren zu hoch und sogar unrealistisch aufgrund lokalen Gegebenheiten und Umstände vor Ort waren sie nicht erfolgreich durchführbar gewesen. Manches ist durchführbar, aber kann nicht erfolgreich sein bei falschen Parametern und fehlender Reichweite. Nicht nur die Grösse entscheidet, sondern insbesondere die Entfernung und Zieldarstellung des Zielortes, der nicht klar definiert war. Wohin genau sollte der Flugkörper fliegen und ankommen❓
Wenn kein konkretes Ziel sichtbar angegezeigt wurde gibt es keine Erfolge bzw. Misserfolge❗
Die Sichtverhältnisse der Tages- und Nachtzeit sind ebenso von entscheidender Bedeutung.
Was am Tag erfolgreich weit fliegt und sein Ziel trifft kann sein Ziel im Dunkeln nicht erreichen.
Die hohe Kunst des Abwägens und der Kolateralschadensvermeidung muss jeder kluge Flugkapitän beherrschen können.
Das hat er bewiesen und war somit erfolgreich, auch wenn der Flugkörper nicht dort eintraf, wo er eintreffen sollte. Das war nicht seine Schuld und dass manche den Kopf vor Angst einziehen, wenn sie ein Unglück befürchten, ist auch intuitiv instinktiv verständlich.
Daran sind aber auch nicht der Flugkörper, der Kapitän oder der Direktor schuld.
Wer weiss welche Faktoren ausser „Höhere Gewalt“, was beinhaltet dieser Begriff eigentlich konkret, noch zum Absturz und Abwracken vor Ort führten? Es gab bestimmt auch Feinde der Zeppeline, die kein Interesse am Erfolg der Deutschen Luftfahrt hatten.
Es waren mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auch destruktive Faktoren von innen in Form von rechtswidrigen Straftaten wie Hochverrat, Spionage und Sabotage am Werk, die damals nicht ans Licht gekommen sind.
Die Tatsache vieler Katastrophen, die dazu führten, dass LZ6/7 nicht erfolgreich ihr Ziel erreichten, fällt nicht einfach so vom Himmel, sondern unterlag damals wie heute einer Aneinanderreihung unglücklicher Umstände, Flüche, nicht von höherer Gewalt herbeigeführt, sondern von internen und externen Feinden, die damals nie ermittelt werden konnten.
Verständlicherweise gibt es bei Unglücken und Katastrophen oft die Vermutung, es könne nicht allein an Pech, Wetter oder menschlichem Versagen liegen. Meistens lassen sich Spekulationen über zb. feindliche Attentate jedoch nicht belegen. So gibt es auch bei LZ 8 keinerlei Hinweise darauf, so schreibt Eckener selbst dazu: „Die Ursache des Vorfalls ist in einer elementaren Gewalt zu suchen und es trifft Niemanden die geringste Schuld, es sei denn, daß man das Heraus- und Hereinbringen des Schiffes aus der sehr ungünstigen gelegenen und schmalen Düsseldorfer Halle überhaupt verurteilt.“