VOR 120 JAHREN: Zweiter und dritter Aufstieg des ersten Zeppelin-Luftschiffes LZ 1

Nach dem ersten Aufstieg des LZ 1, der sehr erfolgreich verlaufen war (wir berichteten), wurden am Luftschiff einige technische Veränderungen vorgenommen, die aus den gemachten Erfahrungen resultierten. Am 24. September 1900 waren die Arbeiten abgeschlossen. Das Luftschiff wurde mit Brennstoff und Ballast versorgt, die Wasserstofffüllung sollte am nächsten Tag stattfinden. Doch in der darauffolgenden Nacht geschah ein Unglück, welches Hugo Kübler in seinem Bericht an die „Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt“ beschreibt:

„Da brachen in der Nacht zum 25. aus nicht sicher aufgeklärter Ursache einige Aufhängungen, so dass der Mittelteil des Fahrzeuges zu Boden fiel, wobei das Gerippe solche Verbiegungen erlitt, dass nur in längerer Arbeitszeit der Schaden wieder auszubessern sein konnte.“

Schaden am LZ 1 © Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

 Graf Zeppelin stand unter großem Druck. Mittel für einen Neubau waren nicht vorhanden, sonst hätte er das Schiff vermutlich vollständig abwracken lassen. Kübler schrieb in seinem Bericht, dass die Reparaturarbeiten schnell vorankamen, und zwar aus folgendem Grund:

„Dass dieses schon am 14. Oktober geschehen war, ist wesentlich der besonders guten Eignung des Aluminiums zur betreffenden Bearbeitung zu danken. Eingetretener Sturm verhinderte zunächst die Füllung; erst am Morgen des 17. Oktober konnte sie beginnen, ging aber dann so rasch von statten, dass das Flugschiff mittags 4 Uhr zum Abwägen bereit war.“

Zum zweiten Aufstieg am 17. Oktober 1900 war der König von Württemberg, der den Grafen stets unterstützt hatte, mit seiner Familie extra nach Manzell gekommen. Am 21. Oktober erfolgte der dritte und zugleich letzte Aufstieg des LZ 1.

Der König von Württemberg beim Aufstieg LZ1 © Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

Hugo Kübler berichtete über das Luftschiff: „Es verharrte nahezu unverändert in der Schwebehöhe von 300 Meter über dem See.

Unter diesen Umständen hätte die zu erreichende Fahrgeschwindigkeit durch eine Geradeausfahrt hin und her auf einem in der Windrichtung gelegenen Striche gezeigt werden können. Das wurde aber dadurch verhindert, dass das hintere Steuer sich bald an der zu nahe darüber befindlichen äusseren Ballonhülle verfing und Backbord stehen blieb. Als nun die Geradeausfahrt angetreten werden wollte, überschwenkte das Fahrzeug nach Backbord. Bis die Ursache erkannt und die Gegenwirkung mit den verbliebenen Steuern eingeleitet war, geriet man dem Lande so nahe, dass man sich zu einer abermaligen vollständigen Linksschwenkung und zu zeitweiliger Rückwärtsfahrt entschliessen musste.

Als das Fahrzeug dann seewärts wieder in Höhe der Halle kam, war die Tageszeit so vorgeschritten, dass es sich empfahl, gegen jene einzuschwenken. Der Seitenwind führte das Fahrzeug abwärts von der Halle, so dass das ganze vorhin beschriebene Manöver mit Linksschwenken und zeitweisem Rückwärtsfahren wiederholt werden musste. Diesmal wurde die Richtung auf die Halle gut getroffen und in langer, wenig geneigter Schrägfahrt sollte in deren Nähe gelandet werden. Doch zwang die rasche Entleerung einer der vorderen Gaszellen, hervorgerufen durch das Sichselbstöffnen eines Ventils, zur schnellen Abfahrt.“

Die Manövrierfähigkeit des Schiffes war stark beeinträchtigt, weil sich eines der Steuer in der Ballonhülle verfangen hatte. Nach einer Stunde und zwanzig Minuten Fahrt landete das Luftschiff um kurz nach sechs Uhr auf dem See.

2. Fahrt LZ 1 © Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

Die meteorologischen Aufgaben hatte Dr. Hermann Stade betreut. Stade legte dar, wie groß die Abhängigkeit des Luftschiffs von günstigen Witterungsverhältnissen ist. Geleitet wurden die Untersuchungen vom Straßburger Professor Dr. Hugo Hergesell, der dem Grafen auch nach den Aufstiegen des LZ 1 jahrelang meteorologisch beratend zur Seite stand.

Als wichtigstes Hilfsmittel wurde ein sogenannter „Drachenballon“ eingesetzt, den die Augsburger Firma Riedinger gebaut hatte. Dabei handelte es sich um einen Fesselballon, mit dem die unterschiedlichen Stärken und Richtungen der Luftströmungen in höheren Sphären gemessen werden konnten. Da beim dritten Aufstieg nicht genügend Wasserstoffgas für die Füllung des Fesselballons zur Verfügung stand, verwendete man Drachen aus Seidenpapier. Es wurde festgestellt, dass sich die Wetterbedingungen am Bodensee extrem schnell ändern konnten, wodurch die Luftschiffe auch in späteren Jahren häufig in Schwierigkeiten gerieten.

Vor dem dritten Aufstieg wurde das Luftschiff noch in einigen Punkten auf Grundlage der gemachten Erfahrungen optimiert, wie Hugo Kübler in seinem Bericht beschreibt:

„Inzwischen wurden die Steuerungen dadurch vereinfacht und zugleich zuverlässiger wirkend gemacht, dass man das obere der beiden vorderen und das weniger zurückliegende der beiden hinteren Steuer ganz wegnahm und das hinterste Steuer etwas tiefer legte, um es von der äusseren Hülle weiter abzurücken.

Wegen des Verlustes des Gasinhalts einer ganzen Zelle musste die Nachfüllung zum Teil mit sehr minderwertigem, weil nicht auf elektrolytischem Wege hergestelltem Gase erfolgen.“

Dritter Aufstieg des LZ 1

Am 21. Oktober 1900 stieg der erste Zeppelin zum dritten Mal auf – kurz nach fünf Uhr nachmittags. Der Aufstieg verlief ohne Schwierigkeiten.

Fahrtstrecke und Höhenprofil 2.+3. Aufstieg LZ 1 © Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

In seinem Bericht an die „Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt“ schrieb Hugo Kübler weiter:

„Vollkommen bewährt hat sich bei dieser Fahrt die Steuerung. Die Steuer liessen sich leicht bewegen und obgleich nur noch zwei Seitensteuer (…) vorhanden waren, folgte das Fahrzeug willig und schnell genug ihrem Druck.  Es wurde ein grosser Bogen nach Backbord, hernach ein solcher nach Steuerbord beschrieben und dann, um nicht in die Nacht zu kommen, um 5 Uhr 25 in nächster Nähe der Halle glatt gelandet. Bereits um 6 Uhr befand sich der völlig unbeschädigte Ballon wieder in der Halle.  Wegen des geschehenen Nachfüllens mit schwerem Gas sind weitere Fahrten ohne Neufüllung nicht ausführbar. Zu einer Neufüllung besitzen wir aber keine Mittel mehr.

Die drei Aufstiege haben jedoch bereits erwiesen, dass wir ein Fahrzeug geschaffen haben, welchem man sich mit Ruhe für den Flug durch die Luft anvertrauen kann. Dasselbe ist vollkommen lenkbar, sowohl seitlich als in der Höhenrichtung. Mit seiner Geschwindigkeit von 8 Sekundenmetern vermag es in mässiger Höhe über der Erde, nur an Tagen mit starkem Winde nicht, auch nach dem Winde entgegengesetzten Richtungen zu fahren. (…) Noch wenige Versuchsfahrten würden demnach genügen, um mit aller Sicherheit selbst weitere Reisen unternehmen zu können.“

Professor Müller-Breslau, der sich als Mitglied des VDI-Ausschusses von 1896 kritisch über das geplante Zeppelin-Luftschiff geäußert hatte, gab nach den drei Aufstiegen einen positiven Nachtrag zu seinem früheren Gutachten ab und forderte ebenfalls eine Weiterführung der Versuchsfahrten.

Vermutlich jede Tageszeitung und jede Zeitschrift berichtete über das Zeppelin-Luftschiff. Dabei überwogen die enthusiastischen Stimmen. Kritisch äußerte sich die „Katholische Welt“, die dem Zeppelin-Luftschiff eine Tauglichkeit zur Massenbeförderung absprach.

Dr. Hugo Eckener schrieb am 19. Oktober 1900 in der „Frankfurter Zeitung“ einen Artikel, der für die Zukunft der Zeppeline von Bedeutung war. Zitat:

„Sicherlich, das ‚Luftschiff‘ erwies sich als ‚lenkbar‘. Es stieg unter den Hurrarufen des vollzählig am Ufer versammelten Friedrichshafen majestätisch und ruhig in die Lüfte, schwebte sinnig und hübsch über den See hin, machte kleine Drehungen um seine vertikale Achse, vielleicht sogar kleine Kurven, vollführte unzählige leichte Drehungen auch um seine Horizontalachse und blieb sicher und friedlich stets ungefähr in der selben Höhe und über demselben Fleck schweben. Von einem ausgedehnteren Hinundherfahren, von einem Aufundabschweben zu größeren und geringeren Höhen war freilich nicht merklich die Rede. Man hatte das Gefühl, als ob das Luftschiff sich sehr freute, daß es so nett da droben balancierte, und man freute sich mit darüber, denn ohne Zweifel ist die schöne Ausbalancierung des Fahrzeugs das Gelungenste an der Sache. Aber unter welchen Umständen wurden denn die geschilderten bescheidenen Resultate erzielt? Unter den allergünstigsten; es herrschte fast absolute Windstille!“

Graf Zeppelin ging damals auf Hugo Eckener zu und konnte ihn von seiner Luftschiffidee überzeugen. Dies war der Beginn einer einzigartigen Karriere, denn Eckener sollte in den folgenden Jahren zur zentrale Figur in der Luftschiffbau Zeppelin GmbH aufsteigen.

Nach den drei Aufstiegen wurde Graf Zeppelin von vielen Seiten gedrängt, Vorträge zu halten. Diesen Aufforderungen kam der Graf gerne nach, sofern es seine Zeit erlaubte. Trotz des großen Interesses flossen aber der „Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt“ keine neuen Geldmittel zu. Aufgrund des Geldmangels wurde die Gesellschaft am 15. November 1900 aufgelöst.

QUELLEN:

Hans G. Knäusel: Die große Verheißung – LZ 1 der erste Zeppelin, Bonn 2000
Hugo Kübler: Ergebnis der zweiten und dritten Auffahrt des Flugscchiffes – Bericht an die Gesellschaft zur Förderung der Luftschiffahrt, Oktober 1900

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