Ende August 1909 unternahm Graf Zeppelin seinen zweiten Versuch, mit einem Luftschiff den Kaiser in Berlin zu besuchen und zu beeindrucken. Sein erster Versuch mit dem Luftschiff Z II (LZ 5) war einige Wochen zuvor in Bitterfeld geendet und Z II inzwischen ans Militär nach Köln abgeliefert worden (wir berichteten).
Aber noch war das Luftschiff Z III (LZ 6) nicht startklar und in Manzell gab es noch jede Menge zu tun. Außerdem konnte Z III im Vergleich mit seinem Vorgänger zahlreiche Innovationen aufweisen, die Kapitän Georg Hacker hier aufzählt:
„Das neue Luftschiff Z III unterschied sich von Z II durch den Stahlbandantrieb mit zweiflügligen Luftschrauben und der Regenrüsche. Das war ein 10 Zentimeter breites Stoffband, das in Höhe der mittleren Längsträger rings um den Tragkörper lief. Es sollte verhindern, daß das vom Oberteil des Schiffes herabfließende Regenwasser in die noch immer offenen Gondeln und Laufgänge floß. Der Fahrwind sollte das auf der flatternden Regenrüsche sich sammelnde Wasser fortwehen.“
Besonders innovativ war, dass das neue Luftschiff rückwärts fahren konnte, wie Hacker begeistert berichtet:
„Das war eine große Sache, wenn der Kreuzer bei Windstille oder leichtem Winde gezwungen war, mit Fahrt die Landungsstelle anzusteuern, um bis zum letzten Augenblick steuerfähig zu bleiben. Dann konnte man kurz vor dem Landen, wie bei einem Seeschiff, die Luftschrauben rückwärts laufen lassen und so das Schiff stoppen. Die Probefahrten ergaben, daß wir mit den neuen Vorrichtungen beim Gange beider Motoren auf 4 Stundenkilometer mehr Eigengeschwindigkeit rechnen konnten als bei Z II, der nur 45 Stundenkilometer lief.
Ich hatte mit mehr gerechnet. Wir kamen zu der Ueberzeugung, daß der Fahrtverlust durch das flatternde Band der 240 Meter langen Regenrüsche verursacht wurde.
Am 27. August 1909 ging es auf die große Fahrt nach Berlin. Unsere Exzellenz war durch eine glücklich verlaufene Furunkeloperation im Nacken geschwächt und wollte erst in Bitterfeld zu uns einsteigen. Als Vertreter der Familie fuhr der junge Graf mit. Es trafen viele Herrschaften ein, die auf ein Recht zur Mitfahrt pochten, aber das Werk zog vor, an Stelle dieser Eitelkeitsgewichte Wasserballast und Betriebsstoff mitzuführen.“

Gelungener Start…
Kurz vor halb fünf Uhr morgens begann das Aushallen und acht Minuten später war Z III in der Luft, um nach Berlin zu fahren. Wer alles mit an Bord war, erzählt Georg Hacker:
„In der vorderen Gondel Oberingenieur Dürr, die Kapitäne Hacker und Lau, Diplomingenieur Graf von Zeppelin, Obermonteur Laburda und Monteur Schwarz, in der achteren Gondel Ingenieur Stahl und Obermonteur Kast. Die 105 Kilometer lange Strecke Manzell – Ulm hatten wir in 2 Stunden 13 Minuten zurückgelegt. Wenn wir diese 47.4 Stundenkilometer weiter beibehielten, konnten wir bequem am Spätnachmittag in Bitterfeld sein.
Die Luft war ruhig, allerdings sehr diesig. Die grüne Donau kam bald außer Sicht. Da hörte ich 7 Uhr 16 in 650 Meter Höhe plötzlich hinter mir ein durchdringendes metallisches Geklirr. Als ich mich umsah, bemerkte ich, daß das Stahlband an backbord gerissen war und sich am Motor in Windungen aufrollte.
Da hatten wir die Bescherung!“
Tollkühne Männer…
„Die Monteure schafften das unbrauchbare, zerknitterte Stahlband beiseit, ein Ersatzband wurde herbeigeholt. Zur Auswechslung mußten zwei Mann auf den Auslegerbock der Luftschraube hinaus, einer, der das Band um die Luftschraubenwelle legte und ein anderer, der das breite Stahlband zureichte und festhielt, denn der Fahrwind, der die Luftschraube in Drehung hielt, übte auch einen gewissen Druck auf das lange Stahlband aus.
Monteur Schwarz und ich unternahmen die Kletterpartie, Schwarz aus Dienstpflicht, mir machte es als Seemann Spaß. (…) Es [hatte] bei der Marine geheißen: Die eine Hand für den Kaiser, die andere für dich!
Wir kletterten vom Laufgang aus zwischen den Zellen den Gerippering empor und gelangten durch eine freigelegte Oeffnung in der Außenhülle auf den Auslegerbock. Hier draußen saß man ganz schön und sicher. Man konnte längs des langen, glatten Schiffskörpers sehen, hatte den freien Himmel über sich und unten etwa 150 Meter tief glitt langsam die bunte Landschaft vorüber. Umlegen und Einspannen des Stahlbandes ging glatt vonstatten.
Weiter ging die Fahrt mit dem Kölner Leitspruch: Et hett noch emmer jot jejange!“

Noch mehr Probleme
Kurz nach elf Uhr musste der vordere Motor ausgemacht werden, weil eines der Zylinderpaare einen Riss hatte. Zudem hatte es angefangen, zu regnen. Georg Hacker weiter:
„Das Schiff fing plötzlich an, durchzufallen. Dann beim Versuche, Ballast zu geben, rissen die Zugdrähte, so daß die vorderen Hosen nicht fielen. Dürr gab mir ein Zeichen: Wir müssen landen!
Wir erreichten gerade noch eine große Wiese am Westrande eines Waldes, als die Gondeln den Boden berührten. Diese Landung war so schnell und so glatt vor sich gegangen, daß ich mich heute noch darüber wundere, wie dies überhaupt möglich war.
Das Schiff wurde von den herausspringenden Männern der Besatzung festgehalten. Einem Förster, der etwa 50 Meter vor dem Schiff regungslos wie eine Bildsäule stand, rief ich zu, er möge herkommen und das Schiff mit festhalten, aber der flintenbewaffnete Jägersmann riß aus und verschwand im schützenden Walde. Nicht lange darauf tauchten zu Pferde hinter einer Bodenwelle ein Artillerieoffizier und ein Unteroffizier auf. Sie kamen in scharfem Trabe heran. Der Offizier fragte, ob wir Hilfe brauchten. Als wir das bejahten, schickte er den Unteroffizier zurück, um von dem nahen Uebungsplatz Mannschaften heranzuholen. Auch Landleute stellten sich hilfsbereit zur Verfügung.
Wir lagen zwei Kilometer südwestlich von Spielberg. Der Regen hatte aufgehört. Wir benutzten die anderthalbstündige Liegezeit, um beim vorderen Motor den gerissenen Zylinder auszuschalten. Achtern wurde an backbord eine Luftschraube durch eine mitgenommene ausgewechselt. Die gerissenen Ballastzüge wurden in Ordnung gebracht und die festgeklemmten Splinte gelockert.
Unser junger Graf war zu Pferde zur nächsten Telegraphenstation geritten und hatte Friedrichshafen und Nürnberg benachrichtigt. 1 Uhr 48 stieg unter den Hurrarufen der Soldaten Z III wieder auf. Ja, ja, et hett noch emmer joht jejange!“
Auftanken
Nürnberg kam in Sicht. In dessen Nähe lag der Dutzendteich, an dessen Ostseite in einer Waldlichtung der vereinbarte Landeplatz lag, wo das Luftschiff aufgetankt werden sollte. Rund um die Lichtung hatten sich bereits viele Schaulustige versammelt, die die glatt verlaufene Landung des Z III bejubelten. Über die weiteren Vorgänge berichtet Hacker:
„Unser tüchtiger Kaufmann Schwarz vom Werk, der mit einem Waggon Wasserstoffgas und Betriebsstoff vorausgesandt war, hatte alles zum Nachfüllen des Luftschiffes vorbereitet. Wann aber die Weiterfahrt stattfinden sollte, hing von der Instandsetzung des vorderen Motors ab. Der Monteur von den Daimler-Werken mit dem Ersatzzylinder war noch nicht eingetroffen. Er sollte um 8 Uhr kommen.
Um halb 1 Uhr nachts wurde mit dem Probelaufen des reparierten Motors begonnen, um 2 Uhr 12 konnten wir aufsteigen und nach dem Kompaß steuern. Unter einer Abdriftannahme von plus 30 Grad und einer Mißweisung von minus 10 Grad. Die Lichter von Nürnberg verschwanden langsam.“
Das klirrende Geräusch…
Z III fuhr mit etwa 25 Kilometern pro Stunde Geschwindigkeit durch die tiefdunkle Nacht, als Georg Hacker hinter sich ein Geräusch hörte:
„Das jetzt schon bekannte gräßliche Geklirr eines zerrissenen Stahlbandes. Ich wandte mich um, und sah gerade noch, wie der vordere Schraubenflügel an Backbord samt Welle und Lagerung in die Tiefe sauste. Der vordere Motor stoppte, um die Reste des Stahlbandes zu entfernen, aber das machte sich von selbst. (…)
Wir fuhren jetzt zur Abwechslung mit drei Luftschrauben.“
Das Luftschiff überquerte Leipzig und erreichte, eskortiert von vielen Autos, Bitterfeld. Dort konnte Z III kurz vor halb sieben Uhr problemlos landen, wieder einmal bejubelt von begeisterten Menschenmassen.
Teil 2 folgt morgen, 29. August 2020!