Ein halbes Leben für den Luftschiffbau

Barbara Waibel zum 25. Dienstjubiläum im Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH

KINDHEIT AUF DEM STIXENHOF

Mitten in der Idylle des Schwäbisch-Fränkischen Waldes liegt der Stixenhof, ein Zweiöd-Hof der Bauernfamilien Waibel und Wahl, dessen Geschichte sich bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen lässt. Dort kam Barbara Waibel im September 1965 als Jüngste von sechs Kindern zur Welt.

Wie es sich für eine Kindheit auf dem Bauernhof gehört, wuchs sie mit vielen Tieren auf, hatte Hunde und Katzen und sogar ein eigenes Pony.

 

Der Stixenhof 1947, Anwesen der Familie Waibel. Ölgemälde von K. Mammer © Foto: privat

HELL LEUCHTET DER STERN

Bereits mit 16 Jahren verließ Barbara den Stixenhof und zog nach Großsachsenheim ins Lichtensterngymnasium, ein Mädcheninternat der Evangelischen Kirche. „Stella prae clara – hell leuchtet der Stern“ lautete das Motto der Schule, die dafür bekannt war, die Begabungen der Mädchen zu fördern. Und so wurde Barbaras musikalisches Talent gezielt gefördert. Sie spielte Geige und erhielt Gesangsunterricht. Als die Schule die Mozartmesse „Missa brevis in B-Dur“ aufführte, sang sie das Alt-Solo.

STUDIUM IN KONSTANZ

Nach dem Abitur begann sie, an der Reformuniversität in Konstanz Geschichte und Germanistik zu studieren. Schon im ersten Semester zog es sie ins Archiv, denn sie belegte einen Paläographie-Kurs im Stadtarchiv, wo sie lernte, mittelalterliche Ratsprotokolle und alte Handschriften zu entziffern. Während ihres Hauptstudiums hatte sie einen studentischen Nebenjob als Hilfswissenschaftlerin bei Prof. Bernd Wunder am Sonderforschungsbereich „Geschichte der badischen Verwaltung“ und recherchierte regelmäßig in Archiven.

Recherchen für die Magisterarbeit im Stadtarchiv Konstanz, 1991 © Foto privat

Auch für ihre Magisterarbeit und erste Publikation „Auswanderungen vom Heuberg 1750 – 1900. Untersuchungen zur Wanderungsstruktur und Wanderungsmotivation“ (1992), sichtete die angehende Historikerin im Auftrag des Geschichtsvereins des Landkreises Tuttlingen Auswandererakten aus dem Staatsarchiv Sigmaringen.

SPRUNG ÜBER DEN SEE

Die frischgebackene Magistra Artium erhielt sofort eine Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin im Kulturamt Meersburg und war dort hauptverantwortlich für das Stadtarchiv tätig. Inhaltlich hatte sie weitaus mehr zu tun, als sich um Annette von Droste-Hülshoff zu kümmern. So betreute sie die Befragung von Zeitzeugen, die das Ende des Zweiten Weltkriegs und den Einmarsch der französischen Besatzungsarmee in Meersburg erlebt hatten, verzeichnete Wohnungsakten, inventarisierte die Kunstsammlung der Stadt oder unterstützte die Kulturamtsleitung bei der Organisation von Ausstellungen und Kleinkunstveranstaltungen. Außerdem koordinierte sie 1994 die erste Teilnahme Meersburgs am „Tag des offenen Denkmals“, die auf ihre Initiative zustande kam.

Inzwischen hatte sie auch wieder begonnen, zu singen und zwar gleich in zwei Chören: im Konstanzer Münsterchor und im Vokalensemble „Capella Cantorum Konstanz“.

ARCHIV DER LUFTSCHIFFBAU ZEPPELIN GMBH

Am 15. August 1995 trat Barbara Waibel ihre Stelle als Archivarin der Luftschiffbau Zeppelin GmbH in Friedrichshafen an. Die Räumlichkeiten waren damals noch auf dem Zeppelingelände beim Riedlewald. Kurze Zeit später zog das Archiv in den ehemaligen Hafenbahnhof, der inzwischen zum Zeppelin Museum umgestaltet worden war. Dort baute sie die Bibliothek mit Beständen zu den Sachgebieten Technik und Kunst auf. Zeitgleich mit der Eröffnung des Museums, am 2. Juli 1996, wurden auch das Archiv und die Bibliothek für das Publikum geöffnet.

Im Lesesaal des neueröffneten Zeppelin-Archivs im ehemaligen Hafenbahnhof, 1996.© privat

Barbara Waibel war von nun an für alle Aufgaben zuständig, die in einem One-Person-Archive mit ebensolcher Bibliothek anfallen. Und diese sind überaus vielfältig: von der Sichtung, Bewertung und Übernahme alter Unterlagen in staubigen Dachböden und feuchten Kellern der Zeppelin-Unternehmen, über die Bearbeitung von Anfragen, die fachliche Beratung und Betreuung von Forscher*innen der unterschiedlichsten Fachrichtungen, die Erweiterung, Konservierung, inhaltliche Erschließung und Digitalisierung von Sammlungsbeständen sowie Buch- und Zeitschriftenbeständen bis hin zu eigenen Forschungsprojekten zur Zeppelingeschichte bietet sich bis heute ein weitgefächertes und spannendes Tätigkeitsfeld.

Buchvorstellung „Zu Gast im Zeppelin“. Barbara Waibel mit Co-Autorin Renate Kissel und Museumsdirektor Meighörner, 1998. © privat

Lediglich für das Aktenholen aus dem zwei Stockwerke tiefer gelegenen Depot waren ursprünglich die Mitarbeiter von der Haustechnik im Nebenamt zuständig. Darüber hinaus erhielt die Archivarin immer wieder Unterstützung durch ehrenamtliche Mitarbeiter, Praktikant*innen und während der Wintersaison durch einige Aufsichten, die unter ihrer Anleitung Inventarisierungsaufgaben übernahmen.

Anfangs war das Archiv an den drei Öffnungstagen durchgehend geöffnet und bot sogar einen „Langen Donnerstag“ an, der aber wenig genutzt und deshalb wieder abgeschafft wurde.

Barbara Waibel mit ihren Archivvolontär*innen: Nina Nustede, Janne Preuß, Tobias Flümann, Jessica Siebeneich (v.l.n.r.)

Mehr als neun Jahre lang war Barbara Waibel weitgehend Einzelkämpferin im LZ-Archiv – erst dann erhielt sie mit der Einrichtung eines Volontariats sowie einer Minijob-Stelle in der Bibliothek Unterstützung bei der Aufarbeitung von Beständen. Insgesamt sechs Volontärinnen und Volontäre durchliefen die zweijährige Ausbildung im Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH und alle, die den eingeschlagenen Weg weiterverfolgten, fanden danach eine unbefristete Stelle in einem Archiv oder Museum. 2017 konnte das Volontariat in eine feste Stelle umgewandelt werden. Kathrin Wurzer, die diese Stelle als wissenschaftliche Mitarbeiterin als erste bekleidete, ist inzwischen zum Museum als Sammlungsbetreuerin gewechselt. An ihre Stelle trat Christine Buecher, die bislang als Minijobberin in der Bibliothek beschäftigt war.

AUSSTELLUNGEN, PROJEKTE & PUBLIKATIONEN

In der Wechselausstellung Zirkel, Zangen und Cellon, 1999 © privat

Von Anfang an waren das Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH und das Zeppelin Museum Friedrichshafen eng miteinander verknüpft. Denn es war erklärtes Ziel, mit der Zusammenlegung der Bestände von Archiv, Freundeskreis zur Förderung des Zeppelin Museums und Zeppelin Museum ein weltweit einmaliges Forschungszentrum zur Luftschiffgeschichte zu etablieren. Die Bestände des Archivs sind zentrale Quellengrundlage für die zeppelinbezogenen oder industriegeschichtlichen Ausstellungs- und Forschungsprojekte des Museums und zahlreiche Exponate in der Dauerausstellung des Museums stammen aus den Sammlungen des LZ-Archivs. Daher hat Barbara Waibel auch immer wieder bei Wechselausstellungen mitgearbeitet – teilweise auch als Kuratorin – wie beispielsweise bei „Vernetzung der Welt“ (2019/20), „Innovationen“ (2018), der Ausstellung zum 175. Geburtstag des Grafen Zeppelin“ (2013), „Luftschiffe über der Arktis“ (2009), „Die Schwestern des Ikarus – Frau und Flug“ (2004) oder „Zirkel, Zangen und Cellon“ (1999).

Führung durch die Ausstellung Frau und Flug für Pilotinnen der Vereinigung deutscher Pilotinnen (VdP), 2004 © Zeppelin Museum

Ihr persönliches Highlight war die Ausstellung über die Geschichte der Frauen in der Luftfahrt, für die sie zusammen mit der Co-Kuratorin Heike Vogel jahrelang recherchiert hat. Die Suche nach Pilotinnen aus aller Welt führte sie u.a. nach England und in die Vereinigten Staaten von Amerika. Viele der damals geknüpften Kontakte mit Museen, Archiven, Forscherinnen und natürlich auch Pilotinnen bestehen bis heute – beispielsweise mit der Weltrekord-Ballonpilotin Dr. Astrid Gerhardt, mit der sie bereits zwei Mal in die Lüfte gestiegen ist. Ihre Ballonfahrerinnentaufe auf den Namen „Strahlende Luftkutscherin Barbara – rauf und runter über der Solitude“ erlebte sie nach einer Herbstfahrt über Stuttgart, und ein besonders eindrucksvolles Erlebnis war ein Aufstieg in der Wüste Namib.

Ballonaufstieg in Stuttgart, 2005. © Astrid Gerhardt

Auch sonst hat die Zeppelin-Archivarin nicht gezögert, alle sich bietenden Gelegenheiten zum Fliegen wahrzunehmen. Neben einem Segel- und Hubschrauberflug, verschiedenen Bodenseerundflügen in kleinen Privatmaschinen und einem Flug mit der Verkehrspilotin Danielle Rentsch in einer historischen Travel Air aus dem Jahr 1929 konnte sie von Berufs wegen auch einen ganz besonderen Zeppelin-Flug mitmachen. Als der Zeppelin NT am 8. März 2017 anlässlich des 100. Todestages von Graf Zeppelin im Auftrag der Luftschiffbau Zeppelin GmbH zum Stuttgarter Pragfriedhof flog, war Barbara Waibel eine der Glücklichen, die diesen historischen Flug mitmachen durfte.

Bodenseerundflug mit Jürgen Bleibler, 2001 © privat

Während der Neukonzeption des Zeppelin Museums von 2009 bis 2014 bearbeitete die Unternehmenshistorikerin die Bereiche „Luftschiffbesatzung“, „Geschichte des ersten Zeppelin-Museums“ und „Industriegeschichte“ und war beratend bei den computeranimierten Filmen zum Bau der Hindenburg sowie für den Einführungsfilm im Medienraum tätig. Von ihren zahlreichen Publikationen zur Zeppelingeschichte seien hier nur die herausragendsten Werke genannt: „Zu Gast im Zeppelin“ (1998) – über das kulinarische Angebot an Bord des Zeppelins, eingebettet in die jeweilige Fahrtgeschichte, außerdem das Standardwerk über die „Hindenburg“ (2010) und eine DVD-Edition mit historischem Filmmaterial aus dem Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH (2013). Auch die Festschrift zum 100. Firmenjubiläum der Zeppelin-Wohlfahrt GmbH stammt überwiegend aus ihrer Feder (2013).

Im Fotoarchiv bei den Vorbereitungen für den Zeppelin-Kalender, 2015. © Harald Ruppert

Darüber hinaus gibt sie seit nunmehr 21 Jahren den Zeppelin-Kalender in Zusammenarbeit mit der Zeppelin Systems GmbH bzw. seit 2016 im Auftrag des eigenen Unternehmens heraus und verfasst Beiträge für Publikationen des Zeppelin Museums sowie anderer Institutionen. Ferner macht sie Radexkursionen, VIP- und Themen-Führungen und ist verantwortlich für das jährliche Zeppelin-Dinner unter der Hindenburg-Rekonstruktion, das heuer in die fünfte Auflage geht. Ihre Vortragstätigkeit beinhaltet neben zahlreichen Vorträgen im Zeppelin Museum u.a. eine Teilnahme am Literaturfestival WortMenü in Überlingen und hat sie sogar einmal nach Schweden geführt. Als ausgewiesene Expertin der Zeppelin-Geschichte ist Barbara Waibel auch immer wieder Interviewpartnerin für Filmdokumentationen und Radiobeiträge.

Vortrag über die Geschichte des Zeppelin-Konzerns, 2008. © Zeppelin Museum

Ihre Kraftquelle für die vielen beruflichen Aktivitäten war und ist die Musik, und so gab es in den vergangenen Jahren auch zahlreiche musikalische Highlights: eine Aufführung von Anton Bruckners e-moll-Messe bei den Bregenzer Festspielen als Gastsängerin des Kammerchors „Hortus Musicus Feldkirch“ (1996), zahlreiche spannende, ungewöhnliche und experimentelle Chorprojekte mit der „Capella Cantorum Konstanz“ (1996-2001), ein Abend mit berühmten Opernchören auf dem Hohentwiel (2007) oder die Teilnahme am Friedrichshafen-Musical „Der Himmel über dem Bodensee“ im Jahr 2011, bei dem sie auch ihr tänzerisches und schauspielerisches Talent erproben konnte.

FREUNDESKREIS & AUFSICHTSRAT

Seit 2018 ist Barbara Waibel die Erste Vorsitzende des Freundeskreises zur Förderung des Zeppelin Museums e. V. und dadurch auch die Stellvertreterin des Aufsichtsratsvorsitzenden der Zeppelin Museum Friedrichshafen GmbH, deren Mitgesellschafter der Förderverein ist. Die neuen Aufgaben erfordern ein hohes Maß an Verantwortung und zusätzlichem Engagement – z. B. wenn der halbjährlich erscheinende Zeppelin-Brief oder eine der Vorstands- oder Aufsichtsratssitzungen sowie die jährlichen Mitgliederversammlungen vorbereitet werden müssen.

Die neue Vorsitzende des Freundeskreises zur Förderung des Zeppelin Museums e.V. mit ihren Vorstandskollegen Ernst Weinert, Michael Auer, Leo Bucher, Dr. Rainer Fischbach, Jürgen Wittmann (v.l.n.r.), 2018.© Joachim Frick

Das hindert Barbara Waibel jedoch nicht daran, weiterhin zu musizieren. Zwar kann sie derzeit Corona-bedingt nicht im Chor singen, aber sie lernt ein neues Instrument: klassische Gitarre.

2 Antworten auf „Ein halbes Leben für den Luftschiffbau“

  1. Hallo Frau Waibel,

    … bin mal wieder über Ihre Web-Seite gestolpert. Diese Vita – chapeau1
    Doch eigentlich ist der Hintergrund, daß ich Ihre E-Mail Adresse für die folgende Frage finden wollte:
    Es geht um Herrn Bochers, der den Fahrtbericht der letzten Fahrt des LZ 87, die Überführungsfahrt von Darmstadt nach Jüterbog (und Stuttgart) niederschrieb. Leider ist mir die Herkunft und Funktion des Herrn Borchers nicht bekannt.
    Sicherlich können Si emir mit ein paar Hintergrundinformationen helfen.
    Schon mal Danke und
    mit freundlichen Grüßen
    A. Lauer

    1. Hallo Herr Lauer,
      wir haben Ihre Anfrage an Frau Waibel weitergeleitet, sie wird sich bei Ihnen melden.
      Liebe Grüße aus dem Zeppelin Museum

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