Käthe Paulus (1868-1935) – Luftakrobatin und Erfinderin

Käthe, auch Kätchen genannt, wuchs in ärmlichen Verhältnissen in Frankfurt auf und erlernte den Beruf einer Näherin – das sollte sich für ihre spätere Karriere als wichtig erweisen. Zum Ballonfahren kam sie – sehr romantisch- durch die Liebe zum Luftschiffer Hermann Lattemann.

Zu ihrem Kennenlernen gibt es verschiedene Versionen, eine davon lautet:

Eines Tages legte der Luftschiffer Lattemann mit seinem Ballon eine Bruchlandung hin und landete im Vorgarten von Käthes Elternhaus. Ihr gefiel der verwegene Pilot mit seinem Backenbart und auf seine Frage, ob Käthe mit ihm in die Luft gehen würde, meinte sie: „sofort“ und schob im Frankfurter Dialekt nach: „Sogar abspringe deet ich!“

Eine nette Geschichte, die aber ins Reich der Legenden gehört. In der Realität sah Käthe Hermann Lattemann das erste Mal bei einer seiner Vorführungen in Wiesbaden. Lattemann war professioneller Ballonfahrer und Fallschirmspringer. Ob es nun seine Luftschifferkünste, seine Persönlichkeit oder beides war, Käthe war von Hermann Lattemann fasziniert und wich ihm in der Folgezeit nicht mehr von der Seite. So half sie Lattemann auch in seiner Werkstatt beim Ausbessern der Ballone und Fallschirme – hier kamen ihre Qualitäten als gelernte Näherin zum Tragen.

Käthe Paulus ca. 1890 beim Absprung zu ihrem berühmten „Doppelabsturz“ mit zwei Fallschirmen (Fotomontage)

Die beiden kamen sich näher und wurden ein Paar. Ihr Wunsch, selbst in die Luft zu steigen, wurde immer größer. Nach drei Jahren intensiver Vorbereitung war es soweit: bei einer Aufführung in Nürnberg 1893 durfte sie mitfahren und ein paar Tage später auch selbst mit dem Fallschirm vom Ballonkorb aus 1200 Meter Höhe abspringen. Später erzählte sie, dass ihr Partner vor ihrem Absprung mehr Angst hatte als sie selbst. Ihr erster Sprung begeisterte sie und so trat sie mit Lattemann in der Folgezeit gemeinsam auf. Ihre Kunststücke in der Luft waren spektakulär und sie hatten viele Zuschauer – so war z.B. der Doppelabsturz eine Spezialität von Käthe: erst sprang sie mit dem Fallschirm aus dem Ballonkorb, löste sich kurz darauf von diesem und öffnete im Moment des freien Falls einen zweiten Fallschirm. Mit ihren Aufführungen verdienten sie als Paar ihren Lebensunterhalt – sie hatten viele begeisterte Zuschauer. 1891 wurde Käthe Mutter – sie bekamen einen kleinen Sohn.

Plakat für einen der letzten gemeinsamen Auftritte vor dem Absturz Lattemanns am 17. Juni des gleichen Jahres

Leider endete die Liebe zu Lattemann tragisch – er stürzte bei einer Vorführung in Bielefeld 1894 tödlich ab. Ein Mechanismus versagte und der Ballon verwandelte sich nicht in einen Fallschirm, wie es geplant gewesen war. Käthe, die mit ihrem Fallschirm kurz zuvor abgesprungen war, sah -noch in der Luft- aus nächster Nähe bei seinem Absturz zu, ohne ihm helfen zu können. Sie erlitt einen schweren Schock und Nervenzusammenbruch – und wollte zunächst nie wieder fliegen.

Nachdem sich Käthe davon erholt hatte, startete sie wieder ihre Ballonflüge, zunächst von ihrem Wohnort Frankfurt am Main. Meist stieg sie gegen Abend unter dem Jubel der Zuschauer vom Zoo aus in ihrem Ballon auf und sprang dann später mit einem Fallschirm ab, um dann per Kutsche zum Zoo zurückzufahren.

Ein zweiter Schicksalsschlag ereilte sie ein Jahr später, 1895, als ihr kleiner Sohn an Diphtherie starb.

Familiär unabhängig, entschloss sich in der Folge, Berufsluftschifferin zu werden. Und so trat sie mit ihrem Ballon und einer Phantasieuniform mit Schirmmütze und Pluderhosen europaweit auf – international nannte sie sich „Miß Polly“.

Bei dieser Aufführung wurde der Ballonkorb durch ein Luftfahrrad ersetzt – dass Käthe Paulus geschäftstüchtig war, zeigt die dazu passende Fahrradwerbung auf dem Ballon

Käthe Paulus ließ sich immer spektakulärere Kunststücke einfallen – so hing sie mit einem Fahrrad, künstlichen Tieren oder einem Trapez am Ballon und auch ihren Doppelabsturz führte sie immer wieder aus. Sie vermarktete sich und ihre Flüge geschickt, wurde bekannt und verdiente mit ihren Auftritten als Luftakrobatin gut.

Außer kleineren Unfällen und gelegentlichem Kontakt mit der Polizei wegen Flurschäden, die bei ihren Auftritten entstanden waren, passierte ihr auch nichts. 1909 wollte Käthe es mit der Fliegerei versuchen, kaufte ein Blériot-Flugzeug und nahm bei dem bekannten Fluglehrer Paul Engelhardt Stunden. Die Ausbildung brach sie jedoch ab und ließ es mit dem Fliegen sein. Warum genau, hat sich mir beim Studium verschiedener Quellen nicht erschlossen. Engelhardt selbst stürzte 1911 tödlich ab – nahm der Absturz ihres Fluglehrers ihr den Mut? Oder zog sie, wie der Autor Ernst Probst meint, „ das lautlose Gleiten der Ballone“ einfach dem „dröhnenden Motorgeräusch“ der Flugzeuge vor und schloss deshalb die Ausbildung nicht ab?

Laut Wikipedia weigerte sich Engelhardt 1910 übrigens, als weiterer Frau Mellie Beese (die dann als erste deutsche Frau ein Fliegerpatent bekam) Flugunterricht zu erteilen.

In der Folgezeit erfand Käthe den Paketfallschirm – der Fallschirm wurde mitsamt Fangleinen in einem Verpackungssack verstaut und während des Absprungs mittels einer Zugleine aus der Umhüllung gezogen. Dieser Standard gilt noch heute – der Schirm wurde „Paulus Schirm“ genannt.

Kurz vor Ausbruch des 1. Weltkrieges startete Käthe ihre letzte Ballonfahrt. Ihren neuen Paketfallschirm hatte sie auch dem Militär angeboten, das zunächst dankend ablehnte. Erst als viele Ballonaufklärer tödlich abgestürzt waren, nahm man ihr Angebot ernst und das Ministerium kam auf sie zurück. In der Folgezeit stellte sie, zusammen mit weiteren Heimarbeiterinnen, ihre Fallschirme für das preußische Kriegsministerium her – bis zum Ende des Krieges nach eigenen Angaben ca. 7000 Stück.

Nach dem Krieg führte sie ein zurückgezogenes und bescheidenes Leben in Berlin, wo sie mit ihrer Mutter schon seit 1912 lebte. Ersparnisse von ihren Auftritten hatte sie durch den Krieg und die Inflation teilweise verloren. Im Alter von 66 Jahren starb sie 1935 an Krebs – zu ihrer Beerdigung kamen nur wenige, auch weil sie ihre Angehörigen davor schon komplett verloren hatte.

Zwei berühmte Fliegerinnen ließen es sich nicht nehmen, ihr das letzte Geleit zu geben: Elli Beinhorn und Hanna Reitsch. Das war eine Anerkennung für Käthes Leistungen für den Flugsport, insbesondere auch als Vorreiterin der Frauen, die ihr, ob nun als Ballonfahrerinnen, Fallschirmspringerinnen, Flugzeug- oder Luftschiffpilotinnen, folgen sollten.

Käthe Paulus ist in einem Ehrengrab in Berlin beigesetzt.

Teil 1: Pionierinnen der Lüfte

Grete Otto
Grete Ottos Passion ist die Zeit der Belle Epoque. Eine Zeit, in der viel passierte – ob nun in der Gesellschaft, Technik oder Wissenschaft! Eine Schlüsselposition hatte dabei das Bürgertum – als treibende Kraft dieser Entwicklung. Auf ihrer Webseite www.buergerleben.com und in den sozialen Medien (www.facebook.com/buergerleben/www.instagram.com/buergerleben) stellt die Historikerin Themen der Zeit vor: wie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gekocht, wohin fuhr man in den Urlaub, welche Kleidung trugen die Frauen und warum hießen Autos zunächst Selbstfahrer? Daneben betätigt sie sich als Autorin und hält Vorträge zu verschiedenen Themen.

Auch mit den neuen Verkehrsmitteln, die entstanden, beschäftigt sie sich: „In den Wochenzeitschriften aus dieser Zeit spürt man die Faszination, die von den neuen Flugobjekten ausging. Es herrschte eine Aufbruchsstimmung und Begeisterung, gerade wenn von Zeppelinen, Ballonen und Flugzeugen die Rede war. Die Menschen strömten zu den Vorführungen und jubelten den neuen Flugobjekten begeistert zu. Wird die Geschichte der Aviatik vorwiegend von Männern geschrieben, möchte ich mit meinem Artikel auch auf die weiblichen Luftschifferinnen – so nannte man sie damals übergreifend, hinweisen.“

Quellen:

„Käthe Paulus“ Ernst Probst, Grin Verlag, 1910
„Zum 75. Todestag von Kätchen Paulus (1868-1935) am 26.7.2010
Sabine Hock, Artikel Webseite (www.sabinehock.de)

 

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