Sie waren der neuen Technik aufgeschlossen, mutig, abenteuerlustig und – Frauen! Dem damaligen Frauenbild als treusorgende Gattin, Mutter und „schwaches Geschlecht“ entsprachen sie nicht. Schon deshalb kann man nicht nur ihre Abenteuerlust bewundern, sondern auch ihren Mut, Konventionen zu sprengen.
Die erste Flugzeug-Besitzerin hieß Ida Perry, war Mitglied des Berliner Metropoltheaters
und nahm wohl Flugstunden (1910)
Die Luft – damals als neue Verkehrsdimension ein großes Thema! In Zeitungen und Wochenzeitschriften wurde über jede Pioniertat berichtet, sei es nun per Zeppelin, Ballon oder Flugzeug. Wettbewerbe wurden ausgerufen, wer am weitesten und am schnellsten fliegen konnte. Graf Zeppelin wurde zum Nationalhelden – insbesondere nach dem Unfall in Echterdingen im August 1908 und der darauf folgenden nationalen Sammelaktion, als „Zeppelinspende“ in die Geschichte eingegangen.
Die erste Internationale Luftfahrt Ausstellung (ILA) fand 1909 in Frankfurt statt. Es tat sich viel im Luftverkehr und bei den Fluggeräten. Kein Wunder, dass auch Frauen davon fasziniert waren! Sowohl Autofahren als auch Fliegen wurde zunächst mehr als Sport denn als Mittel zur Fortbewegung angesehen. Die Kombination, sowohl die Technik zu verstehen, zu bedienen und dazu auch körperlich in der Lage zu sein, mutete spannend an – besonders beim Fliegen. Als erstes Fluggerät gab es den Ballon, danach entwickelten sich Luftschiffe und Flugzeuge. Bei allen Flugdisziplinen wollten Frauen aktiv mitwirken. Teilweise wurde ihnen der Einstieg schwer gestaltet – so hatte Melli Beese, die erste Frau, die einen Pilotenschein für ein Flugzeug erwarb, zuerst Schwierigkeiten überhaupt einen Fluglehrer zu finden. Bei ihrer Prüfung stürzte sie fast ab – man hatte ihren Tank vorher ausgeleert. Männer sahen Frauen als unwillkommene Konkurrenz und eine vorherrschende Meinung war, dass Frauen im Flugzeug Unglück brächten.
Leider war das kein Einzelfall – in allen Flugdisziplinen, ob Ballonfahren oder Fliegen (im Zeppelin oder Flugzeug), gab es Sabotage-Akte gegen weibliche „Luftschiffer“. So wurde die Fliegergilde damals übergreifend genannt.
Wer waren die Frauen, die es in die Luft zog? Die all das für ihre Flugleidenschaft in Kauf nahmen und damit teilweise auch ihren Lebensunterhalt verdienten. Ich möchte Euch drei Ballonfahrerinnen vorstellen und ihre Geschichten erzählen – soweit sie überliefert sind…
Natürlich gäbe es aus allen Flugdisziplinen spannende Geschichten von den ersten Frauen zu erzählen, aber da mein Hauptfokus auf der Beschreibung der Kaiserzeit liegt, habe ich mich für das Ballonfahren entschieden, da die Entwicklung der Zeppeline und Flugzeuge als Verkehrsmittel, für das man eine Fluglizenz ablegen konnte, erst gegen Ende der Belle Epoque startete.
Zuerst werfen wir einen kurzen Blick zurück, wie die Geschichte der Ballonschifffahrt begann. Die ersten Passagiere eines Ballons waren 1783 ein Schaf, ein Hahn und eine Ente in einem Ballon der Gebrüder Montgolfier – alle drei landeten wohlbehalten wieder auf der Erde. Nach den Brüdern wurde der erste erfolgreiche Heißluft-Ballon „Montgolfière“ benannt. Im gleichen Jahr stieg auch der erste Gasballon auf, nach seinem Erfinder Jacques Charles „Charliére“ genannt. Bis heute existieren beide Systeme parallel. Allerdings hatte es davor schon Versuche mit Ballonen gegeben – auch Leonardo da Vinci hatte mit dem Auftrieb durch Heißluft experimentiert.
Frauen-Aeroklub in Paris (wahrscheinlich Luftschifferklub Stella) vom Jahresfest 1910
Alsbald fuhren auch Damen im Ballon mit, als erste in einem frei schwebenden Ballon wird hier die Madame Thieble genannt, die 1784 mit einem Piloten in Gegenwart des schwedischen Königs Gustav höchst persönlich, in die Luft stieg (und auch heil wieder herunter) und zwar im Ballon „Gustave“! Dass sie als Opernsängerin während der ganzen 45-minütigen Luftfahrt Arien schmetterte, konnte wohl nur der anwesende Pilot bezeugen. In jedem Fall war sie reaktionsschnell, denn als ein Teil des Bodens an einer Stelle brach, setzte die Madame geistesgegenwärtig ihren Fuß an den Rand und hielt sich so fest, dass sie nicht in die Tiefe abrutschte. Trotzdem schwärmte sie in den höchsten Tönen von der Fahrt!
Die erste deutsche Luftschifferin wird Wilhelmine Reichert (1788-1848) genannt. Sie war nicht nur eine gute Ballonfahrerin, sondern auch eine gute Vermarkterin ihrer Fahrten. Mit ihrem Mann, gleichfalls ein Luftschiffer, baute sie einen Gasballon, mit dem sie 1810 die erste Fahrt wagten. Ab 1811 unternahm sie alleine Ballonfahrten, ihre erste von Berlin aus. Vorher in Zeitungen angekündigt, stieg sie vor einer großen Menschenmenge (die für das Spektakel Eintritt bezahlt hatte) in ihren blumengeschmückten Ballon und hob ab in die Luft.
Insgesamt 17 Fahrten absolvierte sie in verschiedenen Städten, berichtete in Zeitungsartikeln über ihre Fahrten, unternahm auch wissenschaftliche Messungen – und verdiente so das erforderliche Geld zur Gründung der Chemiefabrik ihres Mannes.
Eine Fahrt hätte fast einen tödlichen Ausgang genommen – in großer Höhe (7800 Meter ist überliefert) verlor sie das Bewusstsein. Ihr Ballon platzte und sie stürzte ab – nur weil die Gondel in ein paar jungen Fichten hängen blieb und so der Fall gedämpft wurde, überlebte sie.
Ihren letzten Aufstieg unternahm sie 1820 wiederum publikumswirksam vom 10. Münchner Oktoberfest. Danach setzte sie sich zur Ruhe, bekam weitere Kinder (insgesamt acht, drei hatte sie schon zu ihren aktiven Zeiten geboren) und arbeitete in der Chemiefabrik ihres Mannes mit, die sie nach seinem Ableben bis zu ihrem Tod weiterführte.
In den ersten Jahren des neuen 20. Jahrhunderts machten insbesondere drei Ballonfahrerinnen von sich reden: Käthe Paulus, Margarete Große und Emmy la Quiante, die ich Euch in den nächsten Teilen näher vorstellen möchte.
Teil 2: Käthe Paulus (1868-1935) – Luftakrobatin und Erfinderin
Die Autorin: Grete Otto
Grete Ottos Passion ist die Zeit der Belle Epoque. Eine Zeit, in der viel passierte – ob nun in der Gesellschaft, Technik oder Wissenschaft! Eine Schlüsselposition hatte dabei das Bürgertum – als treibende Kraft dieser Entwicklung. Auf ihrer Webseite www.buergerleben.com und in den sozialen Medien (www.facebook.com/buergerleben/, www.instagram.com/buergerleben) stellt die Historikerin Themen der Zeit vor: wie wurde Anfang des 20. Jahrhunderts gekocht, wohin fuhr man in den Urlaub, welche Kleidung trugen die Frauen und warum hießen Autos zunächst Selbstfahrer? Daneben betätigt sie sich als Autorin und hält Vorträge zu verschiedenen Themen.
Auch mit den neuen Verkehrsmitteln, die entstanden, beschäftigt sie sich: „In den Wochenzeitschriften aus dieser Zeit spürt man die Faszination, die von den neuen Flugobjekten ausging. Es herrschte eine Aufbruchsstimmung und Begeisterung, gerade wenn von Zeppelinen, Ballonen und Flugzeugen die Rede war. Die Menschen strömten zu den Vorführungen und jubelten den neuen Flugobjekten begeistert zu. Wird die Geschichte der Aviatik vorwiegend von Männern geschrieben, möchte ich mit meinem Artikel auch auf die weiblichen Luftschifferinnen – so nannte man sie damals übergreifend, hinweisen.“
Quellen: „Frau und Flug - Die Schwestern des Ikarus“, Ausstellungskatalog Zeppelin Museum Friedrichshafen 2004 Artikel „Sonntagszeitung“ Jahrgang 12/13, Heft 29, S. 686 in „Nachrichten aus dem Frauenleben“ Artikel „Die Woche“ Jahrgang 1908, Heft 37 „Die Frau als Luftschifferin“, S. 1609 Wikipedia
Danke für den lesenswerten Beitrag! Sehr interessant wielange es das Ballonfahren schon gibt. Man kann super tolle Landschaften während dem geräuschlosen Gleiten betrachten. Viele Grüsse
Das freut mich, das der Beitrag gefällt. Von den Beschreibungen der vorgestellten Pionierinnen und eigenen Beobachtungen von Ballonen am Himmel muss Ballonfahren eine tolle Erfahrung sein. Vielleicht traue ich mich da einmal herein – mal sehen 😊.