LZ 127 Weltfahrt – Teil 4: An Bord des LZ 127 „Graf Zeppelin“

Während Hugo Eckener auf seinem „Sorgensitz“ darüber nachdachte, welche Route das Luftschiff nehmen sollte, schrieben Lady Drummond Hay und ihre Kollegen unermüdlich alles auf, was sie sahen und erlebten. Anschließend wurden die Texte als Telegramm in die Welt geschickt. Auch Dr. Megias, der spanische Arzt, sandte viele Telegramme an das spanische Königshaus, an seine Freunde und Verwandten. Kapitän von Schiller: „Unsere armen Funker sitzen von früh bis spät schwitzend in der Funkbude und geben in allen möglichen Sprachen, sogar in japanisch, die endlos langen Pressetelegramme ab. Funkinspektor Willy Speck, der mit seiner Figur seinem Namen Ehre macht, klagt schon, daß er noch ganz abmagere, was aber anhand der guten Verpflegung an Bord bislang nicht zu merken ist! Ungeheuer war die Leistung des Funkpersonals, da außer den Pressetelegrammen in erster Linie Wettermeldungen noch heranzubringen sind. Aber in keinem Augenblick der Fahrt hat unsere tapfere Funkbude den Humor verloren.“ Léo Gerville-Réache, der für die französische Zeitung „Le Matin“ mitreiste, besichtigte zuerst das ganze Schiff, ließ sich dessen Funktionsweise erklären und lernte die Besatzung kennen. Der 14-jährige Kabinenjunge „Ernschtle“ ‚Fischbach beeindruckte ihn durch seine ruhige, souveräne Art. Kapitän von Schillers unerschütterlicher Humor begeisterte ihn ebenfalls. Bei seiner Beschreibung Hugo Eckeners verstieg er sich sogar in höchste Lobeshymnen: „Insgesamt sind es vierzig Männer, die von einer Autorität kommandiert werden, die selbstherrlich und väterlich zugleich ist, und durch Disziplin sowie Leidenschaft akzeptiert, aber auch peinlich genau beobachtet wird, der Chef, der Meister, der Gott, der Dr. Eckener.“ Weniger dramatisch beschreibt Gerville-Réache den Küchenchef Otto Manz mit seiner weißen Kochmütze als „dick, liebenswürdig und polyglott“. Der Franzose war fasziniert davon, wie Manz in der kleinen Küche auf dem elektrischen Herd „zu unserer vollständigen Verzückung die kompliziertesten Saucen kreiert.“
Ernschtle und Koch Manz in der kleinen Bordküche
Seit Friedrichshafen wurden Besatzung und Passagiere vom Kurgartenhotel verpflegt. Aber natürlich wurden die Speisen von Otto Manz zubereitet. Max Geisenheyner zeigt sich erfreut darüber, dass der Speisesalon verändert worden ist: „Wie schön und sauber ist der Tisch gedeckt. Porzellan, Weingläser, Servietten. Auf den letzten Fahrten hat man noch in zwei Abteilungen an einem langen, durch den kleinen Wohnraum gehenden Tisch gegessen. Das hat stets die Gesellschaftlichkeit gestört. Jetzt wird das Mittagessen an vier Tischen eingenommen. In jeder Ecke steht einer und der Zwischenraum ist gerade so groß, daß der schlanke Steward Kubis und der kleine Piccolo, das sehr geschätzte ‚Ernschtle‘ – Kapitän Flemming kann das besonders gut aussprechen – zwischendurch balancieren können. Das Essen macht unserem Koch wahrhaftig viel Ehre. Es gibt Rheinsalm, Rehrücken, Creme und Obst. Ein guter Mosel, ein süffiger Rheinwein, ein dicker Bordeaux sind zu haben. Die Flaschen senken sich, die Gläser klirren und klingen, das erste Prosit steigt, man lernt sich näher kennen, man spricht miteinander. Neben mir rechts sitzt Mr. Gerville, links Oberleutnant Iselin, der unentwegte Schweizer, der den Namen seiner Familie bis ins fünfzehnte Jahrhundert zurückverfolgen kann, ein prächtiger Fünfziger, Fabrikant und Skifahrer, immer elastisch, immer federnd, zäh und von der Begeisterungsfähigkeit eines Jungen. Nur konnte ich in der ersten halben Stunde das Französisch Mr. Gervilles besser verstehen als ein schwyzer Deutsch. Während des Essens wird wiederum gefilmt und photographiert. (…)
Max Geisenheyner beim Schreiben eines Berichts
Der japanische Marineoffizier, auch ein Tischgenosse, ein schöner Mann, tiefbraun, blitzende, schwarze Augen, blaue Uniform, den kleinen Marinedolch an der Seite, schien von den Ausländern das Merkwürdige eines solchen ersten Essens an Bord am stärksten zu empfinden. Als wir uns zuprosten und ich nach links und rechts zeigte, lachte er breit und offen heraus, nickte mit dem Kopf und stieß gleich noch einmal mit mir an.“ 1929 gab es eindeutig noch andere Sicherheitsbestimmungen als heutzutage. Ein kleiner Marinedolch schien kein Problem zu sein. Viel problematischer war es, dass Hugo Eckener eventuell nicht über Moskau fahren wollte, obwohl er ursprünglich den direkten Weg über die russische Hauptstadt nach Jekaterinenburg nehmen wollte, um den Ural zu überqueren. Doch der Wetterbericht am Morgen hatten unklares Wetter über dem südlichen Russland vorhergesagt, sodass Eckener erst die nächsten Wetterberichte abwarten wollte. Karklin, der russische Gesandte, kam in die Führergondel, um sich nach dem aktuellen Kurs zu erkundigen. Er drängte darauf, unbedingt nach Moskau zu fahren. Kapitän Lehmann schreibt daüber: „Der russische Geograph redet auf Eckener, auf mich, auf Schiller ein; wir verstehen nichts, aber ahnen, daß er uns nach Moskau lotsen will, was uns bald darauf durch Funksprucheinladung der Regierung bestätigt wird. Das können wir, wenn wir bis Tokio durchfahren wollen, nicht machen; wir müssen den Rückenwind ausnutzen und ohne Aufenthalt und Umweg auf der geraden Luftlinie bleiben und sagen deshalb höflich ab.“ Hugo Eckener skizziert, wie sich die Situation mit dem Russen Karklin zuspitzte: „Er hatte offenbar den Auftrag, dieses zu fordern. Denn in Moskau warteten, wie er sagte, ‚Hunderttausende auf das Erscheinen des weltberühmten Zeppelins‘, das ihnen von der Regierung in Aussicht gestellt sei. (…) Als dieser Abendbericht kam, zeigte es sich, daß sich ein Tiefdruckgebiet nördlich vom Kaspischen Meer ausgebildet hatte, das starke östliche Winde bis Moskau hinauf verursachte. Ich würde also bei einem Wege über diese Stadt mit Gegenwinden zu rechnen haben, während ich auf einer weiter nördlich gelegenen Route Windstille und sogar westlich mitlaufende Winde vorzufinden erwarten durfte. Was tun? Ich war mir natürlich klar darüber, daß es ‚politisch‘ gut sein würde, die Moskauer nicht zu enttäuschen und zu verschnupfen; andererseits war es in navigatorischer Hinsicht geboten, die Wetterlage in vorteilhaftester Weise auszunutzen, denn der Weg war weit und unser Betriebsmittelvorrat begrenzt. Wir hatten für rund 100 Stunden Betriebsmittel in Friedrichshafen mitbekommen, und das würde gerade für die Bewältigung der ca. 11.000 Kilometer langen Strecke in ruhiger Luft ausreichen. Natürlich lag eine gewisse Reserve in der Verminderung der Geschwindigkeit, eine Reserve, die man mit Vorteil für eine Fahrtdauer von bis zu 130 oder 140 Stunden ausnutzen konnte, wenn der Gegenwind nicht zu stark würde. Aber die beste Sicherheit und Reserve lag doch darin, die Windverhältnisse richtig auszunutzen und aus Rückenwinden, wenn man sie erreichen konnte, Vorteil zu ziehen. Nun war es aber mein Grundsatz, immer den navigatorischen Gesichtspunkten zuerst Rechnung zu tragen, auch wenn das politische oder ähnliche Nachteile mit sich brachte, und so entschloß ich mich, nach Norden auszuweichen und Moskau rechts liegen zu lassen. Der russische Regierungsvertreter wurde sehr ärgerlich, erbost und nahezu drohend; aber es nützte ihm nichts.“ Eckener habe den Russen dann damit getröstet, schreibt Albert Sammt, „daß er ihm eine Extrafahrt mit Landung in der sowjetischen Hauptstadt versprach.“ Geisenheyner erinnert sich an diesen Moment: „Ich sehe Herrn Karklin noch heute auf der Kommandobrücke stehen. Er fährt mit dem Finger auf den Wetterkarten und Landkarten hin und her und redet Dinge, die kein Mensch verstehen kann. Er macht schließlich die Besatzung ein wenig nervös, was viel heißen will. Denn Nervosität ist ein Vorrecht der Passagiere.“
Lady Hay und Steward Kubis bei der Weinprobe
Bei den Passagieren herrschte allerdings zu diesem Zeitpunkt noch keinerlei Nervosität, sondern vielmehr Verwunderung darüber, dass die Regierung Sowjetrusslands einen Vertreter geschickt hatte, der keine einzige Fremdsprache konnte, weshalb er auch kaum mit den anderen kommunizieren konnte. Die wenigen Brocken Deutsch reichten nicht aus. Lediglich sein ständig wiederholter Halbsatz „Sibirien nicht gut“, wurde verstanden. Im Gegensatz zu Karklin waren Lady Drummond Hay, ihr Kollege Karl von Wiegand sowie Max Geisenheyner, der neben der „Frankfurter Zeitung“ auch für das “Illustrierte Wochenblatt“ schrieb, an Bord sehr beliebt. Kapitän von Schiller: „Lady Drummond Hay als einzige Dame, still, stets bei der Arbeit, immer Dame, stets liebenswürdig gegen jedermann. Sie und ihr Partner von Hearst, Karl von Wiegand, haben unendlich viel für die Zeppelinluftschiffahrt getan mit ihren außerordentlich guten Berichten. Beide weltgewandt und unendlich viel herumgekommen auf der Welt, verstehen sie die Psyche jedes Landes und können mit ihren Berichten viel zum Verständnis nicht nur der Luftschiffahrt, sondern auch zum gegenseitigen Verstehen der Völker beitragen. Wo wir hinkamen, stets schlug uns eine warme Stimmung entgegen, die nicht nur aus dem Enthusiasmus über die Fahrt herrührte, sondern auch vielfach aus den Berichten dieser zwei guten Journalisten, funkentelegraphisch vorausgesandt. Von den deutschen Zeitungsmännern ist besonders Geisenhainer ein Mann, der mit gewandter Feder die Situationen faßte und anhand seiner liebenswürdigen Persönlichkeit sich bei der Besatzung großer Beliebtheit erfreute.“
Speisekarte mit Unterschriften von Passagieren und Bestazungsmitgliedern der Weltfahrt aus dem Nachlass von Christiof Iselin
Der beliebte Geisenheyner notiert über das erste Abendessen an Bord, auf dem die Passagiere plaudern und sich näher kennenlernen: „Dr. Megias erzählt von Spanien, der Franzose wiederholt sein neugelerntes Deutsch, Herr von Perkhammer, der gute Photograph in Tiroler Hosen vom Typ eines Bergsteigers mit der nötigen Stimme und der dazu vorgeschriebenen Naivität, ist bereits bei der achtundneunzigsten Postkarte angelangt. Zweihundertundzwei bleiben noch zu schreiben übrig. Des Abends und am Tage, wenn‘s nichts zu photographieren gibt, setzt er seine Tätigkeit fort.“ Nach dem Abendessen genießen die Passagiere den Blick aus dem Fenster. Besonders faszinierend ist der für die meisten noch ungewohnte Blick auf die Welt aus einer höheren Perspektive. Die Landschaft hat sich inzwischen verändert. Max Geisenheyner: „Ich sehe eine lange, trostlose Straße wie einen Riß bis zum Horizont gehen. Im Ausschnitt des Fensters fliegt ein litauischer Flieger mit doppelt gestrichenem weißen Kreuz. Das Bild des Landes hat sich völlig verändert. Elende Strohhüten, unbebautes Land, kein Mensch mehr zu sehen. Bei den litauischen Sümpfen erklärt Oberstleutnant Iselin kurz und bündig, den Feind erschlagend, deren militärische Bedeutung. Fast eine Stunde ziehen wir daran vorbei. Wir hatten noch keine Ahnung davon, daß wir noch Sümpfe zu sehen bekämen, bei deren Anblick uns das kalte Grausen überkommen sollte.“

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2 Antworten auf „LZ 127 Weltfahrt – Teil 4: An Bord des LZ 127 „Graf Zeppelin““

    1. Lieber Herr de Syon,

      ganz, ganz herzlichen Dank für Ihren Kommentar und die Berichtigungen. Sie haben natürlich vollkommen recht, da ist bei uns etwas durcheinander gekommen. Aber – das zeigt ja auch, dass Sie sehr aufmerksam gelesen haben, das freut uns um so mehr.

      Wir haben es korrigiert und sind gespannt, ob wir den nächsten Teil der Weltfahrtsaga fehlerfrei überstehen 😉

      Herzliche Grüße aus dem Zeppelin Museum!

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