Der erste Verletzte auf der ILA

Am dritten August kurz nach 10 Uhr, nach gut überstandener Sturmfahrt, stieg LZ 5 erneut vom ILA-Gelände auf. Doch nach drei Minuten löste sich eine Luftschraube und flog davon, sodass der Zeppelin wieder landen musste.

Kapitän Hacker entdeckte über der achteren Gondel ein kleines Loch in der Außenhülle und kletterte deshalb in das Innere des Gerippes. Er untersuchte den Riss und die dazugehörige Gaszelle 13, deren unterer Teil schlaff herunterhing. In der Zelle fand er ein ca. 750 Gramm schweres Aluminiumgussteil. Das vom Propeller abgerissen war. Georg Hacker berichtet weiter:

„Danach hatte ich am Vorschiff zu tun, und um schneller auf die Erde zu kommen, ließ ich mich am Laufgang herunterhängen, sprang ab und verletzte mir an den kantigen Aluminiumträgern an jeder Hand einen Finger.

Aluminiumschmutz führt leicht zu Eiterungen. Ich wandte mich darum sofort an einen der Sanitäter der Ausstellung der bewundernd neben dem Schiffe stand. Der Mann antwortete: ‚Einen Augenblick, Herr Kapitän,‘ dann war er fort wie ein geölter Blitz und kam wieder mit zwei andern Sanitätern. Die packten dann einen mächtigen Tornister aus und hätten mich am liebsten von oben bis unten mit Gazebinden eingewickelt, aber ich war mit Sublimatlösung und Heftpflaster zufrieden. Alle drei strahlten mich an, reichten mir zum Schlusse ein Glas Portwein zur Stärkung, das ich sehr gern austrank, und dann mußte ich mich mit Namen, Titel, Geburtsort und Alter in ein Büchlein eintragen, und stolz erklärte mir der Rangälteste, ich, der Kapitän Hacker vom Zeppelin, wäre der erste Verwundete auf der Ila. So hatten sie ihr Fest und ich meinen Portwein.“

Sehenswürdigkeiten der ILA
Da die Zeppeliner nun warten mussten, bis die nötigen Ersatzteile aus Friedrichshafen geliefert wurden, hatten sie nun genügend Zeit, sich die ILA anzusehen. Was dort Spektakuläres geboten wurde, beschreibt Kapitän Hacker:

„Da war das Hauptstück der 8400 Kubikmeter fassende Ballon ‚Preußen‘. Mit ihm waren 1901 die Professoren Berson und Sürung bis zu 10800 Meter emporgestiegen. Das war die größte, von Menschen bisher erreichte Höhe, man kann wohl sagen, ein erster Stratosphärenflug.

Dicht daneben hing der Ballon von Kätchen Paulus, von dem die kühne Frau ihre berühmten Fallschirmabsprünge unternahm. Ich sah zum ersten Male eine Flugmaschine, eine Parseval-Gondel und, sehr bezeichnend für die Entwicklung der Luftschiffahrt, eine erste Ballonabwehrkanone.

Wichtiger waren für uns die Meß- und Navigationsgeräte.“

Am darauffolgenden Tag kamen die Ersatzteile aus Friedrichshafen. LZ 5 wurde repariert und war nun startbereit für seine Überführung nach Köln.

LZ 5 wird Heeresluftschiff Z II
Der fünfte August war der erste Jahrestag des Unglücks von Echterdingen (wir berichteten). Zeitig ging es los. Sowohl der Start als auch die Fahrt entlang des Rheins verliefen so problemlos, dass LZ 5 früher als erwartet, über der Stadt Köln eintraf und um 10.42 Uhr über der Bickendorfer Militärluftschiffhalle kreiste. Dort wurde der Zeppelin schon sehnsüchtig erwartet. Georg Hacker:

„Hinter der Mannschaftskette hatten sich Tausende von Zuschauern gesammelt. In der Mitte des Platzes stand der Landungstrupp angetreten, streng ausgerichtet wie die auf dem Dache der Halle wehende Flagge nach Osten. Zum Einbringen des Schiffes war der Wind günstig. Um 11 Uhr 34 bei 20 Grad Wärme und 50 Meter Bodenhöhe erfolgte die Landung glatt. Z II wurde von Soldaten und Ehrengästen in die Halle gebracht. Viele Offiziere und Damen hatten die Gondeltaue besetzt. So glich das Einbringen des Schiffes mehr einem vom Jubel begleiteten Triumphzug als einem militärischen Manöver.“

Z II war nun endlich in Köln angekommen. In der großen Luftschiffhalle ertönte das Deutschland-Lied. Anschließend hielt der Gouverneur der Festung Köln, General von Sperling, eine Festrede:

„Ich habe das große Glück, ‚Eure Exzellenz hier im Namen der Garnison Köln begrüßen zu dürfen und aus Ihren Händen dieses Luftschiff entgegenzunehmen. Sie haben am Montag eine schwere Fahrt gehabt im Kampfe mit den Elementen. Heute haben Sie das Schiff glücklich hierhergebracht bei dem herrlichen Sonnenschein. Ich kann Ihnen versichern, als Sie näher und näher kamen, schlugen die Herzen immer höher, und jeder hatte das Bewußtsein, heute fängt eine neue Epoche in der Entwicklung des menschlichen Geistes an. Ich übernehme hiermit auf allerhöchsten Befehl dieses Schiff und verspreche, solange es uns Seine Majestät läßt, es treu zu bewahren. Wenn es aber der Ernst verlangen sollte, dann wird es, des sind wir alle gewiß, seine Aufgabe voll und ganz erfüllen. Nun habe ich Ihnen, Exzellenz, noch persönlich dafür zu danken, daß Sie die Mühe und Arbeit nicht gescheut haben, uns das Luftschiff persönlich hierherzuführen. Für diesen Dank fehlen mir die Worte. Der Dank ist Ihnen von den Rheinländern auf der Fahrt hierher durch den stürmischen Jubel zuteil geworden, und Sie werden den Dank der Kölner erfahren, wenn Sie jetzt hineinfahren in die altehrwürdige Stadt Köln. Wir aber, die wir das große Glück hatten, Eure Exzellenz hier zuerst begrüßen zu können, rufen begeistert aus: Seine Exzellenz General der Kavallerie Graf von Zeppelin, hurra, hurra, hurra!“

Die begeisterten Hurrarufe wollten kein Ende nehmen, die Musikkappelle spielte “Die Wacht am Rhein“ und die Menschenmenge sang lautstark mit. Als die Klänge verebbten, trat Max Wallraf, der Kölner Oberbürgermeister, an die vordere Gondel und überreichte Graf Zeppelin einen Lorbeerkranz. Dann hielt er eine kurze Ansprache:

„Heute am Jahrestag von Echterdingen begrüßt Sie, der durch so manches Mißgeschick zu großen, schönen Erfolgen gelangt ist, als Bezwinger der Luft die frohe und dankbare Stadt Köln.“

Überwältigt von so viel Dank und Lob hatte Graf Zeppelin Tränen in den Augen. Tief gerührt sprach auch er seinen Dank aus. Georg Hacker erinnert sich an folgenden Wortlaut:

„Nach dieser herrlichen Begeisterung muß ich vor allem meinem Dank Ausdruck geben, daß Seine Majestät der Kaiser die Gnade gehabt hat, mir zu erlauben, mein Luftschiff selbst hierherzuführen, denn das ist für mich eine sehr hohe und große Genugtuung. Ich danke Seiner Exzellenz, der mich im Namen der Garnison Köln so herzlich begrüßt hat, und dem Herrn Oberbürgermeister, der mir den Gruß der Stadt entboten hat. Ich danke Ihnen allen, die hierhergekommen sind, um mich hier zu begrüßen. Seine Majestät der Kaiser aber, der mir erlaubt hat, das Schiff hierherzubringen, lebe hoch, hoch, hoch!“

Im Anschluss an die Rede des Grafen spielte die Kapelle das Lied ‚Heil dir im Siegerkranz‘ sowie ein Musikstück, das den Zeppelinern unbekannt war, aber von der restlichen Menschenmenge begeistert mitgesungen wurde. Kapitän Hacker wollte wissen, wie das Lied hieß, und fragte einen der Soldaten, die Gondel festhielt, und bekam folgende Antwort:

„Das ist der Kölner Karnevalsmarsch: Et hätt noch emmer, emmer, emmer jot jejange, und et jeht noch emmer jot!“

Als er das hörte, dachte sich Georg Hacker:

„Das war fast wie ein Leitspruch für uns Männer von Manzell. Damit hatten wir es tatsächlich geschafft, mit der Zuversicht: Et hätt noch emmer jot jejange!“

LZ 5 wurde als Z II von der Heeresleitung übernommen. Kapitän Hacker betrat noch ein letztes Mal den Zeppelin und packte alles zusammen, was dem Luftschiffbau gehörte. Beim Abschied sinnierte er fast wehmütig:

„Dann nahm ich meinen Handkoffer und verließ das Schiff, in dem ich über 2800 Kilometer in der Luft, bei Sonnenschein, Nebel, Regen und Sturm zurückgelegt hatte. Ich sah es mir noch einmal von außen an, vom Bug bis zum Heck. Es war mir ans Herz gewachsen, wenn man das von einem solchen Riesending sagen darf! Aber dann dachte ich: Das nächste ist im Bau! Vorwärts!“


Teil 1: Sommer 1909: Die weltweit erste ILA – Internationale Luftschifffahrt-Ausstellung
Teil 2: Wie eine Windsbraut im Sturm…

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