Wie eine Windsbraut im Sturm…

Für den nächsten Tag, den zweiten August, waren schwere Gewitter angesagt, und Graf Zeppelin entschied, diese lieber in der Luft zu erleben, als auf dem Boden vertäut zu bleiben. Er wollte nach Köln fahren, um LZ 5 an das Heer zu übergeben.

Auf diese Fahrt wurde General von Eichhorn, der spätere Heerführer in Russland, eingeladen und um 10.06 Uhr wurden unter den Klängen einer Musikkapelle die Halteseile gelöst.

Zunächst war das Wetter noch angenehm, doch dann frischte ein böiger Nordwestwind auf, der die Fahrtgeschwindigkeit deutlich verlangsamte. Rheinabwärts bis Bingen war es noch trocken, doch bauten sich bedrohliche Wolkenformationen auf.

Mit beschleunigter Geschwindigkeit fuhr der Zeppelin direkt hinein in die Gewitterfront. Kapitän Hacker:

„Donnerschläge übertönten das Geräusch der Motoren, doch es regnete noch nicht. Die Luft war noch ziemlich ruhig, die Temperatur 20 Grad; sie hatte sich seit Frankfurt nicht geändert.

Ich musterte den westlichen Horizont, ob sich uns nicht eine Ausweichmöglichkeit böte, doch überall, soweit das Auge reichte, ballte sich eine Wulst von dunklen Gewitterwolken zusammen. Das war kein Lokalgewitterchen, das war ein ausgedehntes Frontgewitter, das sich in seiner vollen Breite dem Rheine rasch näherte.

Nun hieß es möglichst rasch hinuntergehen. Wir mußten die Gefahr meiden, zwischen zwei verschieden geladene Wolken zu geraten und als Brücke für den überspringenden Blitz zu dienen. Wir hatten im übrigen die Erfahrung gewonnen, daß die aufrechten Wirbel eines Gewitters in der Nähe des Bodens nicht die gleiche Kraft besitzen wie oben. Der Höhensteuermann muß vor allem sein Augenmerk darauf richten, daß das Schiff nicht bis über die Prallhöhe hinausgerissen wird. Geschieht dies, tritt unerwünschter Gasverlust ein. Kommt noch rasche Abkühlung hinzu durch Regen oder Hagel, so wird das Luftschiff plötzlich schwer und kann trotz Abgabe allen verfügbaren Ballastes zu einer ungewollten Landung genötigt werden, und das bedeutet bei einem solchen Gewittersturm sichere Zerstörung des Schiffes, wenn nicht ein günstiger Platz und zahlreiche Haltemannschaften zur Verfügung stehen.“

Zwischen den Fronten
Über Koblenz wurde der Wind noch heftiger, anschließend setzte heftiger Regen ein. LZ 5 fuhr nun in 420 Meter Höhe, machte aber aufgrund des heftigen Nordwestwindes fast keine Fahrt mehr. Kaum hatte der Regen ausgesetzt, erreichten die Zeppeliner die nächste, weitaus stärkere Gewitterfront. Georg Hacker weiter:

„Es blitzte und donnerten ununterbrochen. Zwei Blitze sausten in dichter Nähe des Schiffes herunter. Wir befanden uns anscheinend über ausgedehnten Bimssteingruben. Wir warfen 120 Kilogramm Ballast ab. Bald darauf war das Gewitter über uns hinweggezogen, aber wir hatten gegen den Nordwester weiter zu kämpfen.

Endlich, hinter Andernach, kamen wir etwas schneller voraus und 4 Uhr 51 in 200 [Meter] Höhe über Sinzig geschah es, daß die Sonne durchbrach. Nun konnten wir mit Hilfe des Luftschiffschattens die Fahrtgeschwindigkeit mit 32 Stundenkilometer feststellen. Doch dauerte das nur eine kurze Weile. (…)

5 Uhr 05 im Ahrtal über Kripp begann das Luftschiff rückwärts zu treiben, da der Wind stärker war als unsere Eigengeschwindigkeit. Dazu fing der vordere Motor an zu bocken. Wir waren wie ein Fisch, der unverzagt gegen einen zu schnellen Strom schwimmen muß.

Bei Andernach, auf das wir zurückgeworfen wurden, betrug unsere Rückwärtsgeschwindigkeit 20 Stundenkilometer. Da befahl der Graf die Umkehr nach Frankfurt. Nun fuhren wir mit rascher Geschwindigkeit den Rhein aufwärts und erreichten zeitweilig 90 Stundenkilometer.“ 

Etwas poetischer fasste Direktor Colsmann die Rückfahrt zusammen:

„…noch waren die Titanen nicht überwunden. Wie eine Windsbraut in den Wolken des Sturmes sausten wir über die Gebirge zur ’Ila‘ zurück.“

Kurz vor 21 Uhr erreichte der Zeppelin das ILA-Gelände, das einen schweren Hagelsturm überstanden hatte, wovon die vielen großen Wasserlachen zeugten. Rasch eilten Hilfsmannschaften herbei und LZ 5 landete unter großem Jubel in Frankfurt.

Das Fazit von Kapitän Hacker:

„Der glückliche Verlauf der mehrstündigen Gewitterfahrt hatte bewiesen, daß einem fahrenden Zeppelin im Gewitter keine Gefahr durch Blitzschläge droht, sofern das Schiff nur unterhalb der Wolkendecke fährt.“


Teil 1: Sommer 1909: Die weltweit erste ILA – Internationale Luftschifffahrt-Ausstellung
Teil 3: Der erste Verletzte auf der ILA

2 Antworten auf „Wie eine Windsbraut im Sturm…“

  1. Achtung Fehlerteufel: „LZ 5 fuhr nun in 420 Kilometern Höhe“ damit wäre er höher als die ISS 🙂

    Toller Artikel, herzlichen Dank dafür!!

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