LZ 4, von einigen auch als Z II oder „Modell 1908“ bezeichnet, war das Luftschiff, das in der Zeppelingeschichte einen Wendepunkt markiert. Hier findet Ihr seine Geschichte – erzählt in vier Teilen von unserer Bloggerin Sabine Ochaba:
„Man lernt immer etwas Neues“
Nach der erfolgreichen Rekordfahrt des LZ 3 im September 1907 (wir berichteten) beantragte Graf Zeppelin in Berlin Gelder, um ein leistungsfähigeres Luftschiff zu bauen. Ende Oktober 1907 fand in Berlin eine entscheidende Sitzung statt, und der Reichstag bewilligte den Antrag für das Haushaltsjahr 1908. Graf Zeppelin erhielt über 2 Millionen Mark als Unterstützung, im Gegenzug sollte das Unternehmen in staatliche Hände übergehen.
Mitte Dezember 1907 musste der Graf aber einen neuerlichen Rückschlag verkraften: Ein schweres Unwetter zerstörte Teile der schwimmenden Halle und des Zeppelins LZ 3 / Z I.
Als der Steuermann und Luftschiffkapitän Georg Hacker den Grafen darauf hinwies, dass die Halle nicht abgesackt wäre, wenn die Pontons abgedeckt gewesen wären, und dadurch nicht hätten volllaufen können, reagierte Graf Zeppelin gelassen:
„Ja, mein lieber Herr Hacker, Sie sehen, man lernt immer etwas Neues!“
Unbeeindruckt ließ Graf Zeppelin nun wie geplant in der Landhalle ein weiteres, etwas größeres Luftschiff bauen, während sich die Reste von LZ 3 noch in der Schwimmhalle befanden.
Georg Hacker erinnert sich: „Z II war nach denselben Plänen Dürrs erbaut, die sich in Z I bewährt hatten. Als Neuerungen kamen hinzu ein Aufstiegsschacht […], ein Heck-, ein Bugruder bei Verkleinerung der Seitenkastensteuer, ein Raum für Fahrgäste im Laufgang; aus diesem Aufenthaltsraum haben sich später die Luxuskabinen entwickelt. Durchsichtige Drehtüren führten zum Laufgang, der vor und hinter den Gondeln zweckmäßig verkürzt wurde. Die Länge des zylindrischen, sechzehneckigen Tragkörpers betrug 136 Meter, der Durchmesser 13 Meter, der Gasinhalt 15000 Kubikmeter. Die Abmessungen des alten Zeppelins betrugen 128 Meter, 11,7 Meter und 11300 Kubikmeter.“
„Emsig wie Ameisen“
Das Luftschiff Z I wurde vorsichtig aus der Schwimmhalle genommen. Das Floß mit dem neuen Schiff Z II wurde mit Hilfe von Motorbooten aus der Landhalle gezogen.
Hacker berichtet weiter: „Das in der Morgensonne dahinziehende, silbergrau glänzende Aluminiumgerippe bot auf dem freien, spiegelglatten See einen unwirklichen, zauberhaften Anblick. Die vielen Träger und Ringe des langgestreckten runden Käfigs erschienen zu dem Riesenausmaß der durchsichtigen Walze so fein und zart, daß man glaubte, ein riesenhaftes Spinngewebe schwebe vorüber. Der neue Aufstiegsschacht im Vorderteil des Gerippes hing wie ein dunkles Band herunter.
Kaum war das Skelett des Z II in die Schwimmhalle eingefahren, da begann ein neues Arbeitsleben. Die Hüllenarbeiter begannen die baumwollene Außenhaut stückweise über das Gerippe zu spannen und anzuschnüren. Das Nieten der Schlosser an den Auslegern für die Luftschraube und die Höhensteuer schallte scharf, herausfordernd über den See, und dazwischen waren die Monteure emsig wie Ameisen.“
Das Militär des Kaiserreichs machte den Kauf des starren Luftschiffsystems von verschiedenen Faktoren abhängig. Wie Dr. Hugo Eckener, zu diesem Zeitpunkt noch freier Schriftsteller und Reisejournalist, in seinem Buch „Graf Zeppelins Fernfahrten“ schreibt, würde das Militär nur unter den folgenden Bedingungen Luftschiffe des Grafen Zeppelin erwerben, „falls der Erfinder mit dem neu zu erbauenden Schiff bestimmte Aufgaben lösen würde.
Die Hauptpunkte dieser Aufgaben bildeten eine Dauerfahrt von mindestens 24 Stunden mit dem Ziele Mainz und eine Höhenfahrt bis etwa 1200 Meter.
Das neue Schiff Modell 1908 ist grösser als die früheren […]. Die Motoren leisten je 110 Pferdestärken […].“
„Gebändigt wie ein wildes Tier“
Kapitän Hacker schildert den Bau des LZ 4 / Z II: „Täglich erschien jetzt Graf Zeppelin auf der Schwimmhalle und verfolgte mit frohem Blick den Fortschritt der Arbeit. Kam er an Bord, durfte keine Arbeit unterbrochen werden, selbst nicht, wenn er Gäste bei sich hatte. Sein Kommen brachte immer eine Welle von Freude mit sich. Für jeden Arbeiter und Beamten hatte er ein gutes Wort. Seine tiefe Zuversicht zum Werk erfüllte immer wieder alle mit neuer Kraft. Die vornehme Erscheinung schlug auch die neuen Arbeiter in den Bann. Klug und aufmerksam schauen die klaren blauen Augen aus dem frischen, zart geröteten Gesicht unter den vollen weißen Brauen hervor. Und wie gut paßte der weiße aufgezwirbelte Schnurrbart zu dem mutigen Wesen des alten Reitergenerals!“
Am 17. Juni 1908 war das neue Luftschiff soweit fertiggestellt, dass es mit Wasserstoff befüllt werden konnte. Um 6 Uhr morgens ging es los.
Georg Hacker: “Da wir alle gut aufeinander eingespielt waren, ging die Arbeit schnell, ruhig und sicher vonstatten. Aber nicht zu beschreiben ist, wie Fieberstimmung herrschte. Das große Abenteuer hatte uns mit all seiner Gewalt ergriffen. Keiner zeigte Aufregung, aber in jedem saß sie gebändigt wie ein wildes Tier.“
Endlich konnte das neue Schiff erstmals aufsteigen. Kapitän Hacker schildert die Erstfahrt:
„Am 20. Juni um 5 Uhr begann die Ausfahrt. Nachdem Z II vom Floß losgeworfen, schleppte ihn die ‚Buchhorn‘ zwei Kilometer weit in den See. Um 5 Uhr 12 stieg das Luftschiff, auf südöstlichem Kurse liegend, hoch, die Luftschrauben begannen zu laufen. Das Schiff lag ausgewogen etwa 70 Meter hoch ruhig über dem See und fuhr zunächst geradeaus. Als die volle Geschwindigkeit erreicht worden war, fing es an nach backbord auszuschlagen. Ich legte sofort etwas steuerbord dagegen, dann ganz hart. Die Drehung ließ sich nicht abbremsen. Ich meldete Seiner Exzellenz: ‘Das Schiff steuert nicht!‘
Sofort gab der Graf den Befehl, die rote Landungsflagge auszuhängen. Die ‚Buchhorn‘ und die ‚Württemberg‘ waren uns gefolgt, kamen sofort heran. Wir mußten aber erst drei große Kreise von etwa einem Kilometer Durchmesser schlagen, bevor wir nach 18 Minuten Fahrt auf dem Wasser saßen. Hier faßte uns die ‚Württemberg‘ sofort.
Es war ein Glück für unser Schiff, daß völlige Windstille herrschte und wir den großen Bodensee als freies Uebungsfeld unter uns hatten. Ueber Land wäre uns ein solcher erster Versuch verdammt schlecht bekommen.“
Quellen: Akten, Fotos und Fahrtberichte aus dem Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH; Eckener, Hugo: Graf Zeppelins Fernfahrten, Graphische Kunstanstalt Schreiber GmbH Stuttgart [1908]; Hacker, Georg: Die Männer von Manzell, Societäts-Verlag Frankfurt a. M., 1936; Tittel, Lutz: Die Fahrten des LZ 4, Schriften zur Geschichte der Zeppelin-Luftschiffahrt Nr. 1, 1983