Heute jährt sich Max Ackermanns Geburtstag zum 130. Mal. Ein wunderbarer Anlass, seine Werke, die in unserer Kunstsammlung schlummern, in großem Stil der Öffentlichkeit zu präsentieren. Ab 8. Dezember zeigen wir in der Ausstellung »Max Ackermann: Der Motivsucher. 130 Werke zum 130. Geburtstag« Gemälde, Radierungen und Lithografien und setzen uns kritisch mit Leben und Werk des Künstlers auseinander.
Max Ackermann gilt als einer der bedeutendsten Wegbereiter der abstrakten Malerei. Er lebte 1936 bis 1957 am Bodensee und schloss sich den Höri-Künstlern rund um Otto Dix und Erich Heckel an. Schon in den 30er Jahren schuf Max Ackermann Bilder, die bereits alle Stilmerkmale der fünfziger Jahre enthalten. Zur Erfindung dieser Bildsprache bedurfte er also nicht der Einflussnahme der großen internationalen Strömungen der Zeit nach 1945, sondern er entwickelte sie aus den ersten abstrakten Versuchen aus der Zeit der Jahrhundertwende.
Geboren als Zweiter von fünf Kindern in Berlin, siedelte die Familie 1891 nach Ilmenau in Thüringen um, wo Max aufwuchs. Sein Geburtsjahr ist übrigens auch das von Marc Chagall, Marcel Duchamp, August Macke, Kurt Schwitters, Georg Trakl und Le Corbusier.
Schon mit 14 Jahren beschloss er, das Arbeiten in der Modelleur-Werkstatt seines Vaters aufzugeben und Künstler zu werden. Doch so ganz schien er seinen Willen noch nicht durchsetzen zu können und begann 1903 seine Lehre als Porzellanmodelleur in einer Ilmenauer Porzellanmanufaktur.
„Gehe langsam aber sicher den dornigen Weg der Kunst.“
1906 nahm Max Ackermann seine Studien auf. Es waren Jahre voller Suche und Wechsel der Orte, Schulen und Kunstrichtungen.
In Weimar studierte er an der Kunstgewerbeschule Kunst bei Henry van de Velde. Van de Velde erkannte Ackermanns Talent und verhalf ihm zu einem Stipendium des Großherzogs Wilhelm Ernst von Sachsen-Weimar am Kunstgewerblichen Seminar. Lange sollte er dort nicht bleiben, er brach schon im Sommer 1907 die dortige Ausbildung ab und besuchte stattdessen Abend-Aktkurse an der Großherzoglichen Kunstschule. In seinen Tagebüchern tauchte erstmals die Idee des „Kultbaus“ auf. Diese Utopie eines Gesamtkunstwerks sollte Ackermann zeitlebens beschäftigen. Als Symbol einer allumfassenden Kunst von ihm gedacht, ist es nur bezeichnend, dass der Bau nie realisiert wurde, sondern immer Utopie, Wunsch- und Zielvorstellung blieb. An Silvester trug er in sein Tagebuch ein: „Gehe langsam aber sicher den dornigen Weg der Kunst.“
Von 1908 bis 1909 studierte er an der Königlich Sächsischen Kunst-Akademie in Dresden und belegte den Zeichenkurs bei Richard Müller. Daneben hörte er auch Vorlesungen zu Literatur, Archäologie und Kunstgeschichte.
In München besuchte er in der Königlich Bayerischen Kunst-Akademie die berühmten Malkurse von Franz von Stuck, die vor ihm auch Paul Klee und Wassily Kandinsky belegt hatten. Seine Erwartungen wurden aber nicht erfüllt und er brach das Studium in München schon zum Ende des Wintersemesters 1910 wieder ab. In seiner Münchner Zeit beschäftigte sich Ackermann jedoch intensiv mit den Gemälden Hans von Marées, der ihn zeitlebens beeinflussen sollte. Er hielt ihn laut eines Tagebucheintrages für „den größten Künstler“.
Enttäuscht von den pädagogischen Fähigkeiten Franz von Stucks, beendet er den Münchner Studienaufenthalts zum Ende des Wintersemesters. Unschlüssig, wie es mit seiner künstlerischen Entwicklung weitergehen soll, er sprach von „bitterster Verzweiflung“, verbrachte er das Jahr 1911 in seinem Elternhaus in Ilmenau.
„Die Kunst als Selbstzweck“
In Stuttgart, wo bereits zwei seiner Brüder lebten, setzte er 1912 sein Studium an der Königlich Württembergischen Kunst-Akademie bei Richard Pötzelberger fort. Dort bekam er Kontakt zu Adolf Hölzel und dessen Schülern, zu denen u.a. Willi Baumeister und Oskar Schlemmer zählten. Durch Hölzels Anregungen entstehen die ersten gegenstandsfreien Experimente.
Ab 1913 lebte Ackermann in Stuttgart als freischaffender Künstler in stets wechselnden Ateliers und versuchte sich so über Wasser zu halten. Durch seinen Bruder Hermann lernte er die Wandervogelbewegung kennen, die ihn zu Tanz- und Spielszenen inspirierte. Sein Leben als Künstler erfuhr eine jähe Zäsur, als er 1915 eingezogen wurde und als Landsturmmann am Ersten Weltkrieg teilnehmen musste. 1917 wurde er nach einem längeren Lazarettaufenthalt entlassen und ist völlig desillusioniert und begräbt kurzzeitig seine Hoffnungen auf „die Kunst als Selbstzweck“.
„Die Not und das Leid wurden meine Modelle“
Max Ackermann begeistert sich für die Arbeiterbewegung, Karl Liebknecht, Rosa Luxemburg und Lenin und stellt seine Zeichenkunst in den Dienst der kommunistischen Bewegung. Es entstehen „anklägerische Bilder“ im Stil der Neuen Sachlichkeit und eine Vielzahl von Radierungen und Lithographien.
Als Gast beteiligte er sich 1920 erstmalig an der Ausstellung „Zweite Herbstschau Neuer Kunst“ in Stuttgart und richtete 1921 in seinem Stuttgarter Atelier in der Urbanstraße eine „Lehrwerkstätte für Neue Kunst“ ein, wo er sich eingehend mit dem Konstruktivismus auseinandersetzt. Seine erste Einzelausstellung hatte er 1924 im Württembergischen Kunstverein. Die erstmals gezeigten gegenstandsfreien „farbigen Orientierungen“ stoßen auf große Ablehnung bei der Presse. Weitere Ausstellungen folgen, wie 1928 gemeinsam mit Wassily Kandinsky und Georg Grosz im Kunsthaus Schaller in Stuttgart. Der Erfolg wird sichtbarer, besonders als die Württembergische Staatsgalerie 1930 erstmals ein Bild von Max Ackermann erwirbt.
An der Stuttgarter Volkshochschule gründete er 1930 ein Seminar für Absolute Malerei. Titel seiner Kurse waren beispielsweise „Die Vierstimmigkeit des Hell-Dunkel“, „Bildarchitektur“ oder „Vibration der Farbe“.
Die Innere Emigration am Bodensee
Aufgrund seiner politischen Gesinnung und seiner „entarteten Kunst“ erteilten ihm die Nationalsozialisten 1936 Lehrverbot. Seine Arbeiten wurden 1937 aus der Württembergischen Staatsgalerie entfernt. Max Ackermann und Geigerin und Gymnastiklehrerin Gertrud Ostermayer, die sich 1932 in Hornstaad am Bodensee kennenlernten, heirateten 1936 und zogen Ende des Jahres in ihr Ferienhaus nach Hornstaad. Dort zog er sich in die „innere Emigration“ zurück, wie viele seiner Künstlerkollegen, die ebenfalls an den Bodensee kamen. Dort lernte er auch Otto Dix kennen und schloss sich den Höri-Künstlern an. Während der letzten Kriegsmonate lebte auch Willi Baumeister bei den Ackermanns in Hornstaad. Als 1943 durch einen Luftangriff auf Stuttgart auch Ackermanns Atelier in der Urbanstraße getroffen wurde, verbrannten viele seiner frühen Arbeiten. Ackermann entschließt sich, rund 100 kleinere Werke von 1910 bis 1941 bei seiner Cousine in Triebes (Thüringen) zu evakuieren.
„Absolute Malerei“
Nach dem Zweiten Weltkrieg beteiligte sich Ackermann mit mehreren Arbeiten an der ersten Nachkriegsausstellung „Kunst unserer Zeit“, die in Überlingen am Bodensee gezeigt wurde. 1946 erhielt Ackermann erneut einen Lehrauftrag an der Stuttgarter Volkshochschule. Eine ordentliche Professur blieb ihm aufgrund seiner politisch linken Einstellung vorenthalten. In der Stuttgarter Wochenpost wirbt Ackermann für die „Absolute Malerei“.
1949 beteiligte sich Ackermann mit mehreren Arbeiten an der Ausstellung „Kunst in Deutschland 1930-1949“ im Kunsthaus Zürich, die aufzeigt, wie sich die moderne Kunst in Deutschland trotz innerer Emigration kontinuierlich weiterentwickelt hatte. Ein Jahr später erhielt Ackermann den Ströher-Preis für gegenstandsfreie Kunst.
In den Jahren 1952 und 1953 organisierte Ackermann am Kunstpädagogischen Institut in Hornstaad, das seine Frau Gertrud bereits 1933 gegründet hatte, ein Seminar über Malerei und Musik. Die in die Malerei übersetzte Kontrapunktik der Musik, wurde zunehmend zu einem zentralen Thema in seiner Malerei. 1956 wurde eine große Ackermann-Ausstellung in der Württembergischen Staatsgalerie Stuttgart gezeigt.
„Glückliche Zeichen“
1956 reist Ackermann zu den Kanarischen Inseln, dort findet er auf Teneriffa „Glückliche Zeichen“, wie er in seinem Tagebuch vermerkt. Es folgen beruflich erfolgreiche und privat turbulente Jahre. Durch das Land Baden-Württemberg bekam Ackermann 1957 den Professorentitel ehrenhalber verliehen. Im selben Jahr wurde seine Ehe mit Gertrud Ostermayer geschieden und Ackermann zog zu seinem Bruder Hans nach Stuttgart.
In zwei parallellaufenden Ausstellungen zeigte der Stuttgarter Kunstverein 1963 Max Ackermann und Otto Dix. Ackermanns Bilder waren im Kuppelbau des Kunstgebäudes ausgestellt und Ackermann empfand in der Kombination mit der Architektur einen blassen Abglanz seiner Kultbau-Ideen.
1964 war er Ehrengast in der Villa Massimo in Rom. Während dieses Aufenthaltes entstand die Serie der Rom-Pastelle.
Drei Jahre später wurde im Mittelrhein-Museum in Koblenz seine erste große Retrospektive „Gemälde von 1908 bis 1967“ eröffnet.
Im Frühjahr 1967 ging er zur Kur nach Bad Ditzenbach, wo er sich in die Kölner Schauspielerin Marlis Schiffbauer verliebte. Diese Liebe wurde zwar nicht erwidert, aber es entstand ein neues Bildthema, „ein betont männlich-weiblicher Formendialog“ und die „Leuchtfarben“, wie er die eingesetzte Acrylfarben nannte. Sein Werk veränderte sich, die Bilder wurden greller.
Als er sich die rechte Hand brach, war er ein Vierteljahr zur Untätigkeit verdammt. Das Frühjahr 1968 verbrachte er einen Kuraufenthalt im Schwarzwald, wo sich seine Hand regenerierte und er zumindest wieder kleine Formate malen konnte. Eine große Gesamtschau seiner Arbeiten von den 20ern bis zu den Acrylbildern wurden 1969 in der Goodspee hall der Chicagoer Universität gezeigt und in der Chicagoer Presse wurde Ackermann gefeiert.
Ende 1969 lernte er Johanna Strathomeyer kennen, eine ehemalige Sängerin.
„Das Ende“
1971 erkrankte Ackermann an einem Leberleiden schwer, ab 1973 wurde es ihm aufgrund seiner Erkrankung in Stuttgart zu beschwerlich, weshalb er ins Paracelsus-Krankenhaus nach Unterlengenhardt bei Bad Liebenzell ging. Dort konnte er sogar in begrenztem Maß arbeiten.
Als er sich in Oberlengenhardt eine kleine Wohnung kaufte, führte Johanna Strathomeyer ihm den Haushalt und schirmte ihn vor seinen Freunden ab. Nach seinem ersten Schlaganfall drängt Johanna Strathomeyer 1974 auf Heirat und Ackermann adoptierte Johannas erwachsenen Sohn Peter. Dieser bewegte Ackermann binnen weniger Monate dazu, ihm zahllose Werke zu schenken und zu überschreiben.
Am 14. November 1975 verstarb Max Ackermann im Paracelsus-Krankenhaus und wurde am 20. November in Unterlengenhardt beerdigt.