„Da melde ich mich!“ sagte Georg Hacker ohne zu zögern, als er am 18. August 1907 auf einer Kaffeetafel hörte, der Luftgraf Zeppelin suche einen Vermessungssteuermann.
Hacker war 37 Jahre alt, hatte 22 Dienstjahre bei der Marine hinter sich und arbeitete zu diesem Zeitpunkt als Assistent im Meteorologischen Institut in Wilhelmshaven. Er bewarb sich um die Stelle und wurde drei Wochen später in Friedrichshafen vorstellig. In seinem Buch „Die Männer von Manzell“ erinnert er sich:
„Da ging schon die Tür auf, und umstrahlt von dem hereinflutenden Sonnenlicht, trat Graf Zeppelin mit einem freundlichen Morgengruß ein.
Ich sprang auf und erstattete stramm nochmals meine Meldung. Graf Zeppelin dankte, reichte mir die Hand und hieß mich herzlich willkommen.
Sofort nahm mich der Zauber gefangen, der von diesem alten vornehmen Herrn ausging. Sein Auftreten war jugendfrisch, die blauen Augen schauten klar unter den vollen Brauen hervor, das Gesicht war edel und lebhaft, und der weiße Schnurrbart zeigte den alten Kavalleristen an; er war überlegen und doch liebenswürdig. Freundlich und menschlich, wie ein guter Vorgesetzter sein muß, erkundigte er sich, wie ich untergebracht sei.
Dann kam er auf das Dienstliche zu sprechen. In vierzehn Tagen, erklärte er, solle das Luftschiff aufsteigen, und ich müsse mich tüchtig anstrengen, um in dieser kurzen Zeit das Wesen der Luftschiffahrt und insbesondere Einrichtung und Handhabung der Steuerung kennenzulernen. Geldangelegenheiten habe Herr Uhland zu ordnen. In einer Viertelstunde würde er mit mir in seinem Boot nach Manzell hinausfahren.“
Per Boot zum Luftschiff
Mit Zeppelins Motorboot „Württemberg“ fuhren sie zur Werft, die durch einen hohen dichten Holzzaun vor neugierigen Blicken geschützt war. Neben der noch im Bau befindlichen Reichsschwimmhalle gab es eine auf Pfählen stehende Landhalle, die zum See hin offen war. Dort ragte das Heck des Luftschiffs hervor.
Die „Württemberg“ legte in einem geschützten Bootshafen an und über einen Holzsteg betrat Georg Hacker erstmals die Halle. Von den gigantischen Ausmaßen des Luftschiffes war er sehr beeindruckt. Als Graf Zeppelin ihn fragte, wie ihm das Luftschiff gefalle, sagte er nur: „Gut! Es ist ein wunderbares Gebilde!“.
Tags darauf in der Manzeller Werft stellte Oberingenieur Ludwig Dürr Georg Hacker die zukünftigen Kollegen vor. Anschließend sollte sich der Neuling alleine überall umschauen.
Georg Hacker: „Fahrbereit sah das Schiff aus, das in Flaschenzügen an der Hallendecke hing. Jede der beiden Gondeln lagerte außerdem auf zwei untergeschobenen Holzböcken.
Ich kletterte in die vordere Gondel und stieg von der Achterkante der Gondel auf einem hühnerleiterartigen Aluminiumsteg in den mittleren Laufgang und hielt Umschau.“
Wie eine kleine Mücke…
„Das Innere des Schiffes war noch nicht gefüllt, die für das Gas bestimmten Zellen noch nicht eingelegt. Ueberwältigend war der Anblick des leeren Riesengerüstes, das von der Außenhaut überzogen war. Durch das von achtern hereinflutende Sonnenlicht wurde die gelbliche Hülle durchleuchtet, und die vielen Ring- und Längsträger, die Drahtverspannungen und das weitmaschige Schutznetz hoben sich deutlich von der hellen Außenfläche ab. Die sich einander folgenden Ringträger wurden kleiner und kleiner. Die Längsträger liefen allmählich zusammen, bis sie sich im Heck vereinigten. Wie feine Filigranarbeit sah das Ganze aus und gab ein Gefühl, als schwebe man wie eine kleine Mücke in diesem unendlichen Raum.
Vorsichtig verholte ich mich auf dem zwei Dezimeter breiten Laufgang nach achtern. Ich mußte über einen kleinen, mit Handwerkszeug vollgestauten Laufwagen klettern und stieß mir tüchtig den Kopf, weil ich von der ungeheuren Raumwirkung noch immer benommen war.
Die dicke Beule, die ich davontrug, war mein erster Kopfarbeitererfolg als Zeppeliner.
Ich ging nun alle Teile des aufgebauten Schiffes genau durch, prüfte die Steuer- und Kompaßeinrichtung und besonders die die Schiffchenpost, die es ermöglichte, von der Vorder- zur Achtergondel Geschriebenes zu befördern.“
Der dritte Zeppelin
Was Georg Hacker da erforscht hatte, war LZ 3, gebaut aus den Materialien des zweiten Zeppelins. LZ 2 war in Kißlegg nach geglückter Landung von einem Orkan zerstört worden. Doch Graf Zeppelin hatte diesen Rückschlag schnell verkraftet.
Durch Lotterien in Württemberg und Preußen konnte er Finanzmittel generieren. Er erhielt sogar 500.000 Mark aus einem Nachtragshaushalt des Reiches für die neue schwimmende Halle. Außerdem wurde eine erfolgreiche Dauerfahrt als Abnahmebedingung des Reiches für das Zeppelinluftschiff vertraglich festgelegt.
Beim dritten Luftschiff wurde einiges verändert, wie Kapitän Hans von Schiller schildert:
„Man hatte den Laufgang des Schiffs verstärkt und diesem – aufgrund der Dürrschen Versuche im Windkanal -, am Heck seitlich angebracht, doppelte Stabilisierungsflächen gegeben. Zwischen den Horizontalflächen lagen die Seitenruder, die Höhenruder verlegte man seitlich in den Propellerstrom. Das Schiff ließ sich damit außerordentlich gut steuern und erreichte in merklich ruhigerer Fahrt eine Geschwindigkeit von mehr als 12 ms.“
Bereits am 9. Oktober 1906 hatte LZ 3 seine Erstfahrt erfolgreich bestanden. Ein knappes Jahr später, am 23. September 1907, war die schwimmende Reichshalle endlich fertiggestellt und nun konnten die wichtigen Probefahrten stattfinden. Von deren Gelingen hing es ab, ob das Militär am Zeppelinluftschiff interessiert war oder nicht.
Die erste Dauerfahrt
Georg Hacker arbeitete sich in Windeseile ein, wurde von Graf Zeppelin zum Hallenkommandanten ernannt und sollte LZ 3 künftig steuern, wozu er schon im September 1907 sechsmal die Gelegenheit hatte. Die letzte Fahrt sollte in die Annalen der Zeppelingeschichte eingehen, wie Hacker anschaulich erzählt:
„Beim sechsten Aufstieg am 30. September kam als Beobachter für das Reichsmarineamt Fregattenkapitän Mischke an Bord. Er begrüßte mich herzlich und erinnerte mich an unsere gemeinsame Afrikazeit auf der ‚Leipzig‘ vor Sansibar. Auch sprach er von der Zukunft des Luftschiffes und erwog, ob es als Kriegskreuzer der Kaiserlichen Marine einmal dienen könne.
Bei dieser Fahrt galt es, den Zeppelin als Überlandsegler zu prüfen. Auf der Strecke Fischbach- Kluftern-Lippach-Ravensburg machten sich zum ersten Male leichte Stampfbewegungen bemerkbar. Sie wurden hervorgerufen durch Auf- und Abbewegungen der Luftmassen in dem hügeligen Gelände. (…) Gegen diese Stampfbewegungen mußte mit dem Höhensteuer gearbeitet werden. Auch war die Luft durch ungleiche Erwärmung des Bodens bald schwerer, bald leichter; das Schiff hatte das Bestreben, zu steigen oder zu fallen. So waren Seiten- und Höhenruder ständig in Bewegung und beeinflußten sich oft gegenseitig. (…)
Wir fuhren im Schussental nach Süden. Unter uns lag Weingarten mit seiner großen Klosterkaserne. Ravensburg mit seinen vielen Türmchen und Zinnen bot einen herrlichen Anblick mit den unmittelbar sich anschließenden grünen Höhen. (…) Voraus glänzte lockend der heimatliche Bodensee.
Es hatte aufgeklart. Links vom Säntis waren einige blaugraue Bergkuppen herausgetreten; darüber blaute der Himmel leuchtend tief. Nur hinter den Bergen des Rheintals lagen ruhig einige schneeweiße Wolken. (…)
Hinter Lindau kam der steile 1000 Meter hohe Bergrücken des Pfänders längs. Gern wäre ich näher herangegangen. Oberingenieur Dürr winkte ab; er befürchtete, unangenehme Fallwinde zu bekommen.
Vor Bregenz mit seinem geräumigen Hafen bogen wir rechts ab, aufs Schweizer Ufer zu. Um 1 Uhr 51 wurde das Schiff durch aufsteigenden Luftstrom um 200 Meter auf 785 Meter Meereshöhe hochgerissen. Wir nahmen den Kampf auf und gingen gleich wieder dynamisch hinunter. 2 Uhr 05 hatten wir Romanshorn backbord querab, hielten Kurs über Land und folgten der Uferbahn, steuerten nach Nordwest.
Nun manövrierten wir in verschiedenen Luftschichten, sammelten technische Erfahrungen und machten 6 Uhr 08 südwestlich der Schwimmhalle eine Zwischenlandung zum Auswechseln der Fahrgäste.
Aber wir blieben nicht mehr lange in der Luft, weil es inzwischen Nacht geworden war. Um 7 Uhr fuhren wir in die hell erleuchtete Schwimmhalle und wurden vom Werkspersonal freudig begrüßt, denn wir waren 7 Stunden und 54 Minuten unterwegs gewesen, hatten 300 Kilometer zurückgelegt, und unsere Höhe hatte 830 Meter betragen.“
Nach dieser Fahrt wurde LZ 3 für die Winterzeit außer Dienst gestellt, doch die militärischen Beobachter waren durch die erfolgreichen Fahrten zum Ergebnis gekommen, der Zeppelin könne möglicherweise für die Marine und das Heer geeignet sein. Für Georg Hacker war dies jedoch erst der Beginn einer beeindruckenden Laufbahn als Luftschiffer!
Technische Daten von LZ 3 (Stand: 1907):
gebaut in Friedrichshafen-Manzell
Länge: 128 m
Durchmesser: 11,7 m
16 Gaszellen
Zwei Daimler-Motoren mit je 85 PS
Quellen: Georg Hacker: Die Männer von Manzell, Hans von Schiller: Zeppelin – Wegbereiter des Weltluftverkehrs, Akten aus dem Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH
Bilder: © Archiv der Luftschiffbau Zeppelin GmbH
Eine spannende Geschichte! Kennen Sie den Namen der Frau von Georg Hacker?
Liebe Olga,
bei einer resten Recherche konnten wir leider keinen Namen finden, aber eine Kollegin begibt sich aktuell noch mal auf die Suche.
Sobald wir etwas wissen, melden wir uns wieder!
Viele Grüße aus dem Zeppelin Museum
Liebe Olga,
die Kolleginnen haben noch mal gegraben, aber konnten keinen leider Namen aufspühren…falls er Ihnen an anderer Stelle begegnen sollte, geben Sie gerne Bescheid!
Viele Grüße aus dem Zeppelin Museum!
Hackers Frau heißt Betty
Liebe*r Elisabeth Bliesener, vielen Dank für Ihren Kommentar! Gerne würden wir die Quelle Ihrer Information in unsere Datenbank aufnehmen. Können Sie mir sagen, wo Sie auf diese Information gestoßen sind?
Herzliche Grüße aus Friedrichshafen!