135. Todestag von Franz Seraph Stirnbrand am 2. August 2017
Franz Seraph Stirnbrand war ein Findelkind, das eine erstaunliche Karriere als Portraitmaler machte. Am 2. August 1882 verstarb er in Stuttgart, wo er über 50 Jahre gelebt hatte. Er wurde auf dem Pragfriedhof beerdigt, wie auch Graf Zeppelin. Heute zählt Stirnbrand zu den beliebtesten Stuttgarter Malern der Biedermeierzeit.
Seit 1976 befindet sich das Gemälde „Das Einlaufen des Raddampfers ‚Kronprinz‘ in den Hafen von Friedrichshafen“ in der Kunstsammlung des Zeppelin Museums. Es gilt als kulturhistorisch wertvoll, denn man kann einige der dargestellten Personen namentlich benennen. Es wurde seither für zahlreiche Ausstellungen ausgeliehen und vielfach in Büchern abgebildet.
Ein Rückblick auf sein bewegtes Leben …
Pflegekind in Österreich
Stirnbrand wurde vermutlich im Jahr 1788 in Kroatien geboren und als Dreijähriger von einem kroatischen Soldaten namens Flam in die Obhut des Landgerichtsverwalters Johann Baptist Röser gegeben, der in der Nähe von Linz lebte. Dieser berichtete, dass das Kind mit einem kroatischen Dialekt gesprochen habe und laut den Aussagen des Soldaten Flam von einer Soldatenmutter stamme, die nicht für das Kind sorgen könne. Da nur der Vorname Franz bekannt war, bekam der Junge, nachdem er sich in der Küche eine Brandwunde an der Stirn zugezogen hatte, von Röser den Nachnamen „Stirnbrand“ verliehen.
Ab seinem fünften Lebensjahr lebte der kleine Franz in Enns bei der Majorin Gertrude von Börner, der verwitweten Schwester Rösers, die sich der Erziehung des Jungen liebevoll und mütterlich widmete. Franz zeigte schon sehr früh eine hohe Begabung für das Zeichnen, sodass Röser für ihn einen geeigneten Ausbildungsplatz suchte. Der Landgerichtsverwalter schrieb an „den Herrn Rieger zu Linz, sich seiner aus christlicher Liebe anzunehmen, (…) nach beendigter Normalschule in Enns. (…) Ich empfehle diesen Knaben einem jeden wohltätigen Menschenfreund, und bitte (…), ihm Gnad, Unterstützung und Vorschub angedeihen zu lassen.“
Franz Stirnbrand bekam einen Ausbildungsplatz als Maler und wurde 1808 in seinem Gesellenbrief für seine Arbeit sowie sein Benehmen gelobt und als Mitarbeiter empfohlen. Eine Abschrift des Gesellenbriefs wird im Staatsarchiv Ludwigsburg aufbewahrt.
Stuttgarter Bürger
Ab 1813 lebte Stirnbrand in Stuttgart, aber er bekam auch Aufträge, die ihn nach Karlsruhe, Ludwigsburg und andere süddeutsche Städte führten.
Am 10. Juli 1838, zwei Tage nach der Geburt des Grafen Zeppelin, beantragte Stirnbrand das Stuttgarter Bürgerrecht sowie das württembergische Staatsbürgerrecht. In seinem Lebenslauf berichtete Stirnbrand, er habe nach seiner Lehre einige Jahre in Frankfurt am Main verbracht, wo er Metalldosen mit den Portraits bekannter Persönlichkeiten bemalte. Erst danach widmete er sich der eigentlichen Portraitmalerei und verfeinerte seine Kenntnisse auf Reisen durch Deutschland und Italien. Nach einem längeren Romaufenthalt ging er zurück nach Stuttgart.
Dort portraitierte er viele Personen der damaligen High Society. Darunter waren Adlige und Mitglieder des württembergischen Königshauses, aber auch Bürgerliche, Beamte, Künstlerinnen und Künstler aus der Welt des Theaters, der Musik und der Literatur.
Stirnbrand war unter anderem mit dem Geheimrat und württembergischen Verwaltungsbeamten August Köstlin und dessen Frau Wilhelmine befreundet. August Köstlin wurde 1842 Gründungsdirektor der Stuttgarter Kunstschule sowie der Kunst- und Wissenschaftlichen Sammlung, der späteren Staatsgalerie. Dank dieser Freundschaft finden sich heute viele Werke Stirnbrands in der Stuttgarter Sammlung.
Ein angenehmer Zeitgenosse
Franz Stirnbrand galt als liebenswürdiger Mensch. Er war äußerst beliebt, wie sich Friedrich Wilhelm Hackländer, der Privatsekretär des württembergischen Kronprinzen Karl, erinnerte: „Stirnbrand, ein stiller, freundlicher, stets harmonisch und frohgestimmter Mann von unverwüstlichem Humor, war auch wegen seiner Talente, eine Gesellschaft zu erheitern, bekannt und beliebt… Glückliche Stunden und Abende, die wir in dem heiteren, gastfreien Hause verbrachten, bei den liebenswürdigsten Wirten und der stets auserlesenen Gesellschaft von Künstlern aller Art, Schauspielern und Sängern.“
Da Stirnbrand für seine Arbeit gut bezahlt wurde, konnte er sich in der Unteren Friedrichstraße in Stuttgart ein Haus mit Atelier bauen. Der Garten soll von erlesener Schönheit gewesen sein.
Seit 1838 war Stirnbrand mit der verwitweten Konsulin Friederike Guther verheiratet, einer Tochter des angesehenen Oberamtsarztes und Naturforschers Friedrich Hartmann. Die Eheleute schienen sehr glücklich gewesen zu sein, wie in der Biografie Ottilie Wildermuths aus dem Jahr 1888 zu lesen ist: „… als sie schon in gereiften Jahren zum Erstaunen, teilweise Entsetzen der Familie den Mut hatte, dem Zug ihres Herzens zu folgen und die Gattin Maler Stirnbrands zu werden, der, ohne Besitz, ohne Heimat und Familie, damals erst begann, sich als talentvoller Porträtmaler einen Namen zu erwerben. Sie führte (…) an der Seite ihres liebenswürdigen Gatten ein sehr glückliches Leben. Von wilden Launen, tollen Einfällen, die man für ein Recht und Attribut der Künstler hält, war bei dem Hausherrn keine Rede; er war eine seltene, harmonische, harmlose Natur, glücklich hauptsächlich darum, weil er in seinem Beruf, ganz abgesehen vom Silberwert seines Talents, zugleich seine höchste Freude fand…“
Über das außergewöhnliche Talent schrieb auch seine Tochter: „… daß Stirnbrand unstreitig neben den ersten Porträtmalern der Gegenwart eine ehrenvolle Stellung einnimmt, und um so ehrenvoller für ihn, als er alles aus sich selbst geworden, dem Glück wenig, seinem Talent und seinem unermüdlichen Ringen und Streben das Meiste verdankt, nicht in den Schulen, der Akademie, in Modellsälen und unter gelehrten Exercitien, sondern unter Anleitung der Natur, Selbststudium und intelligenter Aneignung deßen, was er vermöge seines künstlerischen Scharfblicks als das Rechte und Schöne erkannte, seine Meisterschaft erlangt hat.“
Detailgenaue Hafenszene
„Das Einlaufen des Raddampfers ‚Kronprinz‘ in den Hafen von Friedrichshafen“ lautet der sexy Titel des einzigen Stirnbrand-Gemäldes unserer Kunstsammlung, und es gilt als kulturhistorisch wertvoll, denn man kann einige der dargestellten Personen namentlich benennen. Der Hafen von Friedrichshafen ist besonders detailgetreu dargestellt und die Entstehung des Bildes kann aufgrund diverser Merkmale wie Uniformen, Schiffstypen, Ausbau der Hafenanlage, Kleidermode und beispielsweise der Laterne ziemlich genau auf das Jahr 1852 datiert werden.
Am Kai, inmitten von Honoratioren, steht der Zoll- und Hafendirektor Neuschler. Man erkennt ihn an der weißen Hose. Mit hoher Wahrscheinlichkeit hat er das Bild in Auftrag gegeben. Neben Neuschler stehen Offiziere der nahen österreichischen Garnison. Das Dampfschiff „Kronprinz“ war damals ein hochmodernes Schiff. Auch sich selbst hat der Künstler am rechten Rand ins Bild eingebracht: In bürgerlicher Reisekleidung steht er mit seiner Frau am Hafen.
Seit 1976 befindet sich das Gemälde in der Sammlung der Stadt Friedrichshafen und wurde seither für zahlreiche Ausstellungen ausgeliehen und vielfach in Büchern abgebildet. Die Provenienz des Bildes ist eindeutig nachvollziehbar, denn die Stadt konnte es direkt von einem Enkel Neuschlers erwerben.
Ausführliche Informationen im Aufsatz von Heike Vogel: „… was er vermöge seines künstlerischen Scharfblicks als das Rechte und Schöne erkannte…“ – Der Maler Franz Stirnbrand, die Friedrichshafener Hafenszene und Bezüger zu 1848er-Revolution; zu finden im Wissenschaftlichen Jahrbuch 2007 des Zeppelin Museums.
Hallo, mein Onkel ist Maler. Ich selbst habe schon in Stuttgart gewohnt, bin aber jetzt nach Berlin gezogen. Für einen visuell begabten, ist die Stadt ein Dorn im Auge. Wenn man sich zum Zentrum hält, dann ist es dennoch sehr schön dort. Danke für die Geschichte!
Danke für den schönen Blogartikel zu Franz Stirnband. Als gebürtiger Stuttgarter ist mir der Maler natürlich ein Begriff. Ich finde es immer wieder erstaunlich, wie geschickt manche Menschen mit einem Pinsel umgehen können und welche Vorstellungsgabe sie besitzen. Das bleibt mir leider verschlossen.