Im Gespräch mit Ottmar Hörl

Ottmar Hörl gilt als weltweit bekannter Multiple-Künstler und offensiver Stratege einer neuen Kunst im  öffentlichen  Raum.  Zuletzt  hat  er  Großprojekte  für  das  Daegu  Art  Museum  in  Südkorea,  die Architektur-Biennale in Venedig, die Albertina in Wien und das Renitenztheater in Stuttgart realisiert. Anlässlich des 100. Todesjahrs von Graf Zeppelin und des 80. Jahrestags der Hindenburg-Katastrophe hat ihn das Zeppelin Museum eingeladen, eine neue temporäre Kunst-Installation in Friedrichshafen zu realisieren.

Kurz vor der Eröffnung von »Ottmar Hörl – Aller Anfang ist schwer« (22. April – 1. Mai 2017) habe ich ihn zum Interview getroffen und herausgefunden, was Kunststoff und der Musiker Mick Jagger für eine Rolle in seinem Leben spielen…

Herr Hörl, warum Kunst? Gab es eine Art Initialzündung? Oder ist das einfach so entstanden? Wie kann man sich das vorstellen? Wie wird man Künstler? 
Es braucht keine Initialzündung, sondern Zeit. Das heißt, die meisten Künstler wissen nicht, dass sie Künstler sind – außer man ist in einem Künstlerhaus groß geworden, wo der Vater oder der Großvater bereits Künstler war. Wenn man in einer normalen, bildungsbürgerlichen Situation aufgewachsen ist, ist es kein Thema Berufskünstler zu werden. Dann gibt es zwar die Kunst, die Kultur und Menschen, die das machen, aber eigenartigerweise geht man nicht davon aus, dass das ein richtiger Beruf ist. Man fragt sich nicht, wie Menschen Künstler werden, sondern sie sind es einfach irgendwann. Und so war es bei mir eigentlich auch. Eines Tages ist man Künstler, indem man merkt, dass man das besser kann als alles andere. Ein entscheidender Faktor ist, Ideen zu haben und Dinge anders zu machen als andere. Warum das so ist, kann ich dir ehrlich gesagt nicht sagen. Es gibt also in der Regel keine Initialzündung, sondern eine zeitliche Abfolge in der das für dich entschieden wird.

Und was würden Sie heute tun, wenn sie kein Künstler geworden wären?
Für mich gab es nur diesen Weg.

Laut Wikipedia sind Sie Konzeptkünstler, Bildhauer, Installations-, Aktions-, Foto- und Objektkünstler. Können Sie eigentlich irgendetwas nicht?
Nein. Glücklicherweise. Ich kann eigentlich alles. Was ich mir ausdenke, kann ich auch technisch übertragen. Wenn ich jetzt entscheide, dass ich gerne eine Skulptur machen würde, die so wirkt wie ein Berg, dann finde ich eine entsprechende technische Lösung. Mein Gehirn ist in der Lage in ganz großen Dimensionen sowie in ganz kleinen Formaten zu denken. Was es nicht gut kann, ist Mittelmaß. Das heißt, an den äußersten Rändern fühle ich mich am wohlsten. Dort, wo es eigentlich nicht mehr weitergeht, fängt es für mein Gehirn an interessant zu werden.

Und ist diese Vielfältigkeit heutzutage notwendig um als Künstler wahrgenommen zu werden beziehungsweise in den Köpfen der Menschen zu bleiben?
Nein. Es ist nicht notwendig, aber hilfreich. Es ist hilfreich, wenn du viele Dinge denken kannst, aber das allein reicht nicht, du musst sie dir auch zutrauen und dann umsetzen können. Das heißt, du brauchst auch ein gewisses Maß an Selbstbewusstsein. Nehmen wir an, es kommt ein Mann wie Bill Gates auf mich zu und sagt: „Herr Hörl, ich finde Sie als Künstler super. Ich habe mich mit Ihrer Arbeit beschäftigt und kann mir vorstellen, dass Sie einen fantastischen Film drehen würden. Einen Film über Wasser. Wasser ist die Grundlage allen Lebens, ohne Wasser hätte sich unser Planet Erde nicht so entwickeln können. Wären Sie in der Lage der Menschheit überzeugend zu vermitteln, wie wahnsinnig wichtig sauberes Wasser ist?“ Ich bräuchte keine drei Sekunden um „Ja“ zu sagen. Da ich mir vertraue, dass ich eine überzeugende inhaltliche Idee denken, entwickeln und entsprechend in ein Werk übersetzen kann. Ich habe zwar bisher noch nie solch einen Film gedreht, aber das wäre für mich trotzdem überhaupt kein Problem. In mir habe ich einfach einen Botschaftsgedanken. Und den muss man haben als Künstler. Es ist eine der Grundvoraussetzungen eines künstlerischen Talents. Und das gebe ich all meinen Studenten schon im ersten Semester mit auf den Weg: „Ihr studiert nicht Kunst, damit die Mutti ein schönes Aquarell in der Küche hängen hat. Ihr studiert Kunst um die Welt zu verändern.“

Jetzt haben Sie schon so vieles erreicht und so vieles erschaffen. Mit welchem Material arbeiten Sie denn am liebsten? 
Am liebsten arbeite ich eigentlich mit Kunststoff, da dies ein Stoff ist, mit dem man relativ kostengünstig bestimmte Dinge herstellen kann. Ein zeitgemäßer Stoff, den jeder kennt, der fast überall eingesetzt wird und der hochflexibel ist. Man kann mit ihm alles machen, von einer realistischen Figur bis hin zu einer vollkommen abstrakten Situation. Ein Nachteil ist: In  der  Kunst  ist  die  Nobilitierung  traditionell auf  bestimmte Materialien wie Stein, Bronze, Stahl oder Öl auf Leinwand festgelegt. Das bedeutet, es gibt bestimmte Standards, die der Kunststoff nicht erfüllt – obwohl im Wort Kunststoff eigentlich schon Stoff für »Kunst« drin steckt. Aber da gebe ich nicht auf, sodass nachfolgende Generationen es leichter haben werden, mit Kunststoff überzeugende Modelle im Bereich der Kunst zu entwickeln. Und wenn ich tot bin, werden die Menschen wahrscheinlich staunen und sagen: „Was der alles aus Kunststoff gemacht hat… Wahnsinn!“

Gibt es für jemanden Ihres Formats noch so etwas wie Vorbilder? 
Jede Menge. Es gibt wahnsinnig viele interessante Vorbilder, alles Menschen, die niemals aufgeben. Das geht von Mick Jagger…

Mick Jagger? Interessant.
Ja. Ich finde Menschen, die nicht aufgeben einfach super, wie Mick Jagger. Und Scheitern ist nicht das Problem. Denn Scheitern ist ein Teil des kreativen und schöpferischen Denkens. Ich finde es sehr anerkennenswert, dass es Menschen gibt, die nie aufgeben, die eine Vision haben und ihrer Vision nachgehen. Ob das große Kunst ist oder die Wissenschaft spielt dabei keine Rolle.

Und was können Sie jungen Künstlern, die Sie als Vorbild nehmen, für einen Rat geben? 
Das ist schwierig. Ich arbeite ja andauernd mit jungen Künstlern zusammen und muss ihnen so vieles mit auf den Weg geben…

Aber das Wichtigste ist, dass man sich nicht beschweren darf, wenn die Gesellschaft einen als Künstler nicht akzeptiert. Man macht ein Angebot und die Gesellschaft hat schließlich auch das Recht, das Angebot abzulehnen. Dann darf man nicht beleidigt sein und sagen: „Ich bin meiner Zeit voraus. Die verstehen mich nicht. Die haben alle keine Ahnung.“ Stattdessen muss man eigenverantwortlich mit dieser Situation umgehen – und das bis zuletzt, bis man stirbt. Bis dahin muss man damit klar kommen und versuchen, die Gesellschaft zu überzeugen. Und selbst wenn sie nicht so schnell überzeugbar ist, dann sollte man trotzdem nicht aufgeben.

– gekürztes Interview vom 21. April 2017 –


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Bilder: © Ottmar Hörl, Zeppelin-Junge, 2017, VG Bild-Kunst, Bonn 2017, Foto: Markus Tretter

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